Alantua
herumzukriegen.
„Wie
genau sah dieser Mann aus?“ wollte Phiol mit brüchiger
Stimme wissen.
„Er
war von normaler Größe“, sagte Anyún. „Und
er hatte helle Augen. Da war eine Narbe...“
„Diese
Narbe...“ Phiol sprach tonlos. „Hatte er diese Narbe an
der Unterlippe?“
Anyún
nickte und Phiol musterte den Fremden erneut. Langsam griff sie nach
Maljas Schwert. Malja ließ es verwundert geschehen. Phiol hielt
dem Mann die Spitze vor die Nase, wie Malja es selbst zuvor getan
hatte.“
„Fessele
ihn“, bat sie leise, ich hörte es kaum. „Fessele
ihn!“ wiederholte sie beinahe hysterisch, als Malja es nicht
sofort tat.
„Aber
... Phiol, warum? Er hat doch nichts getan!“ verteidigte Anyún
ihren Freund.
„Kind,
der Name dieses Mannes ist nicht Xeros. Er hat dich belogen und uns
genauso. Ja, ich kenne ihn. Ich habe ihn vor dreizehn Jahren zuletzt
gesehen, als er selbst noch ein Kind war. Aber jetzt weiß ich,
wer er ist. Sein wahrer Name lautet Arthes von Kantú, er ist
Arthanos Bruder!“
Malja
trat nach vorne, holte aus und verpasste ihm einen schweren Schlag
mit der Faust gegen das Kinn. Der Prinz von Kantú fiel
ohnmächtig um.
Dejia
Nach
zehn Tagen fast ohne Rast erreichten sie endlich Dejia. Anyún
war müde, ihr tat alles weh und sie wollte nur noch schlafen.
Sie
hatte kein Wort mehr mit Arthes gewechselt. Sie schämte sich.
Wie hatte sie nur auf ihn hereinfallen können? Natürlich
hatte er gewusst, wer sie war, nämlich nicht nur die Tochter von
Semeros Tarzos, einem Ratsmitglied der Insel sondern auch die Tochter
der Königin von Alantua. Er hätte es ihr sagen müssen.
Sie kam sich so dumm vor. Sie hoffte, Malja warf ihn in das
finsterste, dreckigste Verlies von ganz Dejia.
Anyún
ritt neben Malja an der Spitze ihrer kleinen Gruppe. Bei ihr fühlte
sie sich momentan am wohlsten. Kwarren ritt hinter ihnen. Sie war zum
Glück nicht mehr gefesselt. Malja wusste, hätte Kwarren
fliehen wollen, so hätte sie es während des Kampfes mit den
Männern Kantús getan oder in den Stunden danach. Dafür
sang Kwarren während der Reise unanständige Lieder, bis
Malja ihr drohte, sie zu fesseln und zu knebeln, wenn sie nicht
endlich still war. Kwarren hatte gegrinst und geschwiegen. Phiol und
Lir flankierten den Gefangenen. Keiner von ihnen redete mit ihm.
Arthes
machte keinen besonders betrübten Eindruck. Ruhig und gefasst
sah er dem entgegen, was ihn in Dejia erwartete.
Die
Stadt hatte sich verändert, seit Anyún das letzte Mal zu
Hause gewesen war. Noch immer ragte hell die königliche Burg auf
ihrem Hügel über die ganze Stadt, die grünen Flaggen
wehten leicht im Wind. Aber hatten früher südlich des Dej
Felder und Wiesen gelegen, kamen sie nun vorüber an
herrschaftlichen Villen und Gärten.
„Dejia
ist überfüllt“, erklärte ihr Malja. „Diejenigen,
die es sich leisten können, bauen sich hier draußen ihre
Häuser. Mein Bruder und Cassa haben ein sehr schönes
Anwesen dort drüben am alten Buchenhain. Cassa hat es selbst
entworfen. Seit dem großen Feuer ist einfach nicht mehr genug
Platz in der Stadt.“
Anyún
wusste von dem Feuer. Große Teile im Osten der Stadt waren
davon zerstört worden und lange Zeit unbewohnbar. Viele Menschen
kamen damals ums Leben, auch Maljas kleine Schwester Maara.
Kaum
hatten sie die Brücke über den Dej überquert, trafen
sie auf fahrende Händler, Bauern und Handwerker, die hier ihre
Waren und Dienste anboten. Offensichtlich bot auch der Marktplatz der
Stadt nicht mehr genug Raum für alle und sie mussten vor die
Tore ausweichen. Die Bewohnerzahl der Stadt hatte rapide zugenommen,
da viele Menschen vom Land in die florierende Hauptstadt Alantuas
strebten, obwohl einige Teile der Stadt noch immer nicht bewohnbar
waren.
Die
Wachen am Südtor erkannten Malja und ließen die Reisenden
passieren. In der Stadt herrschte reges Treiben und sie kamen nur
langsam voran. Auch hier waren Wagen und Karren unterwegs. Die
Straßen waren viel zu schmal für so viel Bewegung. Ob die
Straßen in den wiederaufgebauten Stadtteilen wohl breiter
waren? Erst bei Sonnenuntergang erreichten sie das Burgtor. Die
Wachen, gekleidet in das dunkelgrüne Wams der königlichen
Garde, salutierten vor Malja. Auf dem Wams der Wachen schimmerte die
in Gold gestickte Sonne Alantuas.
Anyúns
Hände zitterten. Ihr Weg führte sie über den äußeren
Burghof. Sie vernahm das Hämmern in der Schmiede, Diener holten
Wasser aus dem Brunnen. Einige Menschen hielten inne,
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