Alantua
als sie die
Reisenden bemerkten. Anyún versuchte vergeblich, bekannte
Gesichter auszumachen. War sie wirklich so lange fort gewesen?
Da,
der Schmied: War das Brenlo, mit dem sie als Kind so oft Fangen
gespielt hatte? Er war nun selbst ein Mann und führte die Arbeit
seines Vaters fort. Und die Frau dort mit dem Wasserkrug, war das
Liselle, die Magd ihrer Mutter? Anyún lächelte zaghaft
und nickte ihr zu. Nach kurzem Zögern wurde das Lächeln
erwidert.
Das
Tor zum Innenhof stand offen. Auch die Wachen dort salutierten vor
Malja. Dieser kleinere Hof war mit einem Zierbrunnen ausgestattet,
der Anyún an Sonnhafen erinnerte. In weißem Marmor
standen die fünf Götter stolz auf ihrem Podest.
Hier
wurden die Reisenden von Bediensteten empfangen. Ihre Ankunft war
selbstverständlich gemeldet und die entsprechenden
Vorbereitungen getroffen worden. Eine Frau im Dunkelblau der Tyrons
erwarte sie vor dem eigentlichen Tor zur Burg. Sie war ebenso
hochgewachsen wir Malja und hatte eine noch strengere Miene. Ihre
schwarzen Locken waren von Silberfäden durchzogen und ihre
blauen Augen wirkten eisig. General Marta Tyron machte Anyún
noch immer Angst.
Malja
salutierte respektvoll vor ihrer Mutter. Diese legte ihr anerkennend
eine Hand auf die Schulter und nickte. Dann wandte sich General Tyron
den Prinzessinnen zu.
„Willkommen
zurück in Dejia, meine Damen. Die Königin erwartet Euch
bereits. Folgt mir.“ Zu Malja gewandt fügte sie hinzu:
„Wer ist dein Gefangener?“
„General,
ich glaube, das klären wir besser mit der Königin.“
Marta
Tyron musterte Xeros finster. Anyún unterdrückte den
Impuls, ihn zu verteidigen. Er hatte nichts weiter getan, als ihr zu
folgen. Aber dafür, dass er sie belogen hatte, verdiente er jede
Strafe, die man ihm hier in Dejia auferlegen würde. Also hielt
sie den Mund. Mit zittrigen Beinen stieg sie von ihrer braunen Stute
ab. Nun kam der Moment, den sie am meisten gefürchtet hatte.
Xeros’ Anwesenheit war ihre Schuld. Wie würden ihre Mutter
und General Tyron reagieren, wenn sie davon erfuhren?
Kwarren
ging neben ihr. Das beruhigte sei ein wenig.
„General
Tyron ist immer noch so griesgrämig wie früher. Kein
Wunder, dass ihre Tochter so ernst ist. Die ganze Familie verspeist
wohl Stöcke zum Frühstück und Zitronen zum
Mittagessen.“
Malja
hatte ihren Spott gehört und warf einen bösen Blick in ihre
Richtung, doch Kwarren winkte ihr fröhlich zu.
„Ich
dachte, du willst nicht hier sein?“ wunderte sich Anyún
über die gute Laune ihrer Schwester.
Kwarren
zuckte mit den Achseln. „Ich konnte euch nicht alleine lassen
auf dem Weg nach Dejia. Wer weiß, was sonst noch passiert wäre?
Jetzt bin ich hier, das lässt sich nicht ändern. Das heißt
aber nicht, dass ich mir alles gefallen lasse.“ Sie zwinkerte
Anyún zu und die Jüngere fühlte sich schon etwas
besser.
Das
private Arbeitszimmer der Königin hoch oben in der Burg war
unbewacht. So traten sie nach kurzem Anklopfen ein.
Martrella
stand vor dem Panoramafenster und sah hinaus auf ihre Hauptstadt, die
in das rotgoldene Licht der untergehenden Sonne getaucht war. Die
rotbraunen Locken trug sie offen, sie fielen über ihr hellgrünes
Gewand bis zur Mitte des Rückens. Das schmale Band aus Gold,
Zeichen ihrer Königswürde, zierte dezent ihr Haupt.
Als
sich Martrella umdrehte, hielt Anyún den Atem an. Wie sehr
sich ihre Mutter verändert hatte! Sie war schmaler und wirkte
viel zerbrechlicher, als Anyún sie in Erinnerung hatte.
Die
Königin lächelte, als sie ihre Töchter sah. Ihre
besondere Aufmerksam galt Anyún.
„Willkommen
zu Hause“, sprach sie mit brüchiger Stimme.
Anyún
lief los, ohne weiter nachzudenken. Vergessen war ihre Angst. Ihre
Gefühle überrannten sie und sie fiel glücklich in
Martrellas Arme.
„Mama“,
schluchzte sie leise.
Niemals
hatte sie sich eingestanden, wie sehr sie ihre Mutter vermisst hatte.
Sie atmete tief ihren Duft ein und schloss die Augen. Sanft
streichelte Martrella über die Locken ihrer Tochter.
„Meine
Kleine... Schön, dass du wieder da bist.“
Alle
Sorgen fielen von Anyún ab. Der Kummer über Mutters
Krankheit, die wirren Gedanken um Arthes, die Furcht vor Kantú
und einem neuen Krieg. Alles würde gut werden. Ganz bestimmt,
denn jetzt war sie wirklich zu Hause und ihre Mutter war hier.
Vorsichtig
löste sich Martrella aus der Umarmung ihrer Jüngsten, um
sich ihren beiden anderen Töchtern zuzuwenden. Als sie auf Phiol
zuging, verbeugte sich diese
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