Alantua
Goldfäden
umstickt. Ganz unten in meinem Reisebeutel hatte ich den Schmuck
verstaut, den ich als Mädchen zu offiziellen Anlässen
getragen hatte: Eine lange Goldkette mit der Sonne Alantuas als
Anhänger. Meine Ohrlöcher waren nie zugewachsen. So konnte
ich auch die dazu passenden Ohrringe tragen. Ich brauchte keine Magd,
um mir das Kleid anzuziehen und den Schmuck anzulegen. Für meine
Lockenmähne aber benötigte ich Hilfe.
Die
Königin hatte darauf bestanden, uns eine Magd mitzuschicken. Sie
war noch ein junges Ding, kaum älter als Anyún. Doch ihre
Finger waren geschickt. Und so zauberte sie aus der wilden Mähne
einen schlichten, festsitzenden Knoten.
Zufrieden
betrachtete ich am Ende ihrer Bemühungen mein Bild im
Handspiegel. Ich sah ernst und gleichzeitig edel aus. Wenn Arthano
mich so sah, vergaß er womöglich, dass ich nicht nur eine
Prinzessin war. Er würde mich unterschätzen und nicht als
Gefahr sehen. Genau das war mein Plan.
Der
Hafen von Kantarra war kleiner, als ich vermutet hatte. Kantú
war bekannt für seine Seemacht und die Handelsflotte, die alle
Ecken der Welt bereiste. Trotzdem war der Hafen nicht größer
als der von Ilinde. Ich sah nur drei Schiffe mit der Flagge Kantús.
Arthano hatte auch hier das Chaoszeichen der Nacht durch die rote
Flamme auf schwarzem Grund ersetzt. Einige Flaggschiffe aus anderen
Königreichen waren auszumachen. Ich erkannte die Flagge
Südlands. Die Flaggen Tallgards und des Gildenreiches waren
nicht unter ihnen. Die restlichen Schiffe waren Fischerboote.
General
Suris gab einen missmutigen Laut von sich. Sie stand neben mir an der
Reling und überblickte den Hafen.
„Ich
habe kein gutes Gefühl bei der Sache“, murmelte sie.
Malja
kam hinzu. „Wo sind ihre Schiffe?“
„Jedenfalls
nicht im Hafen“, grummelte General Suris. Sie sah zurück
zur Einfahrt der Bucht. Bis zum Horizont erstreckte sie das Meer,
kein weiteres Schiff war zu sehen.
Mein
Magen zog sich zusammen. Ich hatte auch kein gutes Gefühl. Aber
was konnten wir tun? Umkehren war kein Option.
„Wenn
Ihr uns abgesetzt habt, verlasst den Hafen und kreuzt vor der Bucht,
wie wir es abgesprochen haben“, sagte Malja zu General Suris.
„Dort erwartet Ihr unser Zeichen.“
„Ich
lasse Euch ungern allein in dieser Teufelsstadt.“
Der
Empfang an Land fiel spärlich aus. Fünf Bewaffnete im
schwarzen Wams Kantús standen am Ende des Steges bereit. Eine
Hand voll Einwohner Kantarras schauten ihnen grimmig oder ängstlich
entgegen. Sie trugen einfache Tuniken in hellen Tönen.
„Haben
sie Angst vor Arthano oder vor uns?“ fragte ich Phiol, die am
Ende des Steges neben mir stand.
„Ich
weiß es nicht“, gestand meine Schwester.
Wieso
sollten die Bewohner der Stadt Angst vor uns haben, wir kamen so gut
wie unbewaffnet als geladene Gäste des neuen Königs. Und
der Krieg zwischen Kantú und Alantua war seit über
dreißig Jahren vorüber.
Viele
der Häuser wirkten verlassen und heruntergekommen. Waren sie
bereits aus Kantú geflohen? Oder waren sie es nur müde,
nach den Erdbeben, die sie mehrmals im Jahr heimsuchten, immer wieder
ihre Häuser in Stand zu setzen?
Dann
sah ich die Pfähle entlang des Kais. Halb verwesende Köpfe
mit getrocknetem Blut zierten sie. Kein Wunder also, dass die
Bewohner Angst hatten.
Der
Knoten in meinem Magen war längst zu einem schweren Stein
geworden. Wir liefen mit offenen Augen in unser Unheil. Aber ich
vertraute auf meine Fähigkeiten als Kriegerin und Bärin.
Wir würden den Krieg verhindern und wir würden Kantú
lebend verlassen. Und deshalb musste ich zunächst eine
Prinzessin sein. So konzentrierte ich mich auf meine Aufgabe und bot
einen formvollendeten Knicks, als der Befehlshaber unseres
bewaffneten Empfangskomitees vortrat, um uns zu begrüßen.
„Prinzessinnen
von Alantua, im Namen unseres Herrschers Arthano heiße ich Euch
willkommen.“ Er sprach in dem rollenden Dialekt Kantús,
den man kaum verstehen konnte. Ich schluckte eine scharfe Bemerkung
herunter und überließ vorerst meiner Schwester das Reden.
„Wir
danken Euch, Sir. Es ist uns eine Ehre, hier zu sein.“ Phiol,
gekleidet in ein cremefarbenes Gewand mit goldenen Stickereien und
einer kunstvollen Hochsteckfrisur, lächelte höflich und
knickste ebenso.
„Folgt
mir bitte“, sagte der Mann mit ausladender Geste und ging
voran. Wir folgten, dicht hinter uns ging Malja mit grimmigem
Gesichtsausdruck und hinter ihr die zehn Männer und Frauen der
königlichen Wache. Die
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