Alantua
Frauen
der königlichen Wache warteten auf eine Regung, bereit, jedem
ihrer Befehl zu befolgen.
Ich
spürte das Gewicht meiner Dolche, die ich unter meinen Röcken
an den Oberschenkeln festgebunden hatte. Wenn ich versuchte, den Mann
zu retten, riskierte ich unser aller Leben. Die Reise nach Kantú
würde plötzlicher enden, als erahnt.
Was
blieb mir übrig?
Der
neue Hohepriester schritt an die Seite seines Vorgängers.
„Tretet besser zurück, Hoheit.“
Auch
ich wich zurück. Der Priester des Dämons stimmte ein Summen
an. Er berührte die knochige Schulter des Alten. Priester
Tarestos verzerrte schmerzvoll das Gesicht und schloss die Augen.
Statt
nach meinen Dolchen zu greifen, ballte ich die Hände an meinen
Seiten zu Fäusten.
An
der Schulter des alten Mannes züngelten Flammen auf. Der
Feuerpriester summte weiter und berührte den Mann nun an dem
weißen Haupt. Der Mann schrie, die Flammen nahmen von seinen
Haaren Besitz. Es stank nach Feuer und verbranntem Fleisch. Der Alte
wand sich unter den Griffen seines Peinigers. Doch dieser hielt ihn
erbarmungslos fest. Überall, wo er ihn berührte, züngelten
neue Flammen auf, während der Feuerpriester selbst immun gegen
das dämonische Feuer war.
Die
Menschen schrien, einige verließen den Platz, wurden aber von
bewaffneten Soldaten aufgehalten. Einer von Maljas Männern
musste sich übergeben. Malja hielt die schluchzende Phiol in den
Armen.
Ich
nahm das alles nur am Rande wahr. Ich konnte den Blick nicht abwenden
von dem Mann, der mich um Hilfe angefleht hatte. Als sein ganzer
Körper brannte und zuckte, trat Arthano neben mich.
„Willkommen
in Kantú, Kwarren von Alantua“, raunte er mir dicht
neben meinem Ohrläppchen zu. Dann legte er seine Hand auf meine
Schulter.
Seine
Hand glühte.
Licht
Martrella
atmete flach, jedoch gleichmäßig. Und obwohl sie fahl wie
der Tod selbst war, und das Herz in ihrer Brust kaum zu hören
war, lebte sie.
Anyún
kniete neben ihr, das Ohr sanft auf die Brust gepresst. Das Mädchen
richtete sich auf, streichelte Martrella über das rötliche
Haar und flüsterte: „Alles wird gut, das verspreche ich
dir.“
Seltsam,
vor nicht allzu langer Zeit hatten diese Geste und diese Worte ihr
gegolten. Nun war es umgekehrt. So sollte es nicht sein, noch nicht!
In
angemessenem Abstand standen die drei Heiler und die Hebamme, die in
den letzten Tagen ihr Bestes gegeben hatten, die Königin wieder
zu Bewusstsein zu bringen. Alle Kräuter und Gebete zeigten
bisher keine Wirkung. Ihr Können reichte nicht aus. Anyún
hätte vermutet, dass wenigstens in Dejia ein Heilmagier zu
finden sei. Doch wie man ihr berichtete, waren die letzten Heilmagier
im großen Feuer umgekommen.
„Wir
sollten die fünf Hohepriester rufen...“, sprach einer der
Heiler, „...bevor es zu spät ist.“
„Nein,
sie lebt und wird am Leben bleiben!“ beharrte Anyún.
„Prinzessin“,
sprach der Heiler sanft. „Man sollte nur sicher gehen, dass die
Königin zur rechten Zeit ihre letzten Gebete erhält.“
„Sie
muss vorbereitet werden für ihren Weg ins Reich der Götter“,
bestätigte einer der anderen beiden.
„Das
wird sie!“ entfuhr es Anyún schärfer als
beabsichtigt. „Aber noch ist ihre Zeit nicht gekommen. Geht
jetzt. Ich möchte mit meiner Mutter allein sein.“
Die
Heilkundigen verbeugten sich und verließen leise das königliche
Gemach. Anyún war wütend. Wie konnten sie so schnell
aufgeben? Wie konnten sie überhaupt aufgeben? In irgendeinem
Buch fand man bestimmt noch Möglichkeiten, welche die Heiler
noch nicht versucht hatten.
Immer
wieder blutete Martrella und ihr Körper wurde schwächer.
Tief in ihrem Leib – dort wo sie einst ihre Kinder getragen
hatte – wucherte nun ein Geschwür. Deswegen hatte man die
beste Hebamme der Stadt zu Rate gezogen. Diese hatte der Königin
bereits vor Monden mitgeteilt, dass nur eine Operation ihr helfen
könne, wenn überhaupt. Denn auch dieser Eingriff barg seien
Risiken. Das böse Fleisch musste entfernt werden. Dabei hätte
sie verbluten oder später an einer Infektion sterben können.
Nun war der Körper ihrer Mutter zu schwach, um ein solches
Vorgehen überstehen zu können.
„Wieso
hast du die Heiler weggeschickt?“
Anyún
hatte das Eintreten General Tyrons nicht bemerkt, so sehr war sie in
Gedanken versunken. Die große Frau sah müde aus. Sie hatte
den Vorsitz des Rates übernommen, wie es ihre Pflicht als
Vertreterin der Königin war. Der Rat von Alantua war zu
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