Alantua
einer
ständigen Sitzung zusammengekommen. Die Krankheit der Königin
und die politische Lage versetzten das Land in Aufruhr. Selbst in der
Bevölkerung sprach man mittlerweile von einem bevorstehenden
Krieg.
„Die
Heiler können nichts mehr für meine Mutter tun“,
erklärte Anyún erschöpft. „Warum sollten sie
also hier bleiben?“
Marta
Tyron kniete sich an das Bett der Königin. „Sie sind weise
Männer. Sei nicht ungerecht zu ihnen.“ Sie griff nach der
Hand ihrer Königin und hielt sie in ihren. Ihre Worte klangen
nicht harsch, sondern nachsichtig und mitfühlend.
Manchmal
vergaß Anyún, dass die strenge Frau mit dem schwarzen
Haar nicht nur die Stellvertreterin der Königin und
Befehlshaberin über das Heer war. Sie war auch Martrellas
Cousine und Freundin. Sie waren zusammen aufgewachsen. Eine enge
Bindung verband sie seit ihrer gemeinsamen Kindheit.
„Wenn
du dich nun ausruhen möchtest, kannst du das tun“, sagte
Marta. „Ich bin ja nun hier.“
Eine
von ihnen blieb stets am Lager der Königin und wachte über
sie. Und obwohl Marta bestimmt einen sehr anstrengenden Tag im Rate
Alantuas hinter sich hatte, bestand sie darauf, nun bei Martrella zu
bleiben. Anyún gab nach. Sie wollte außerhalb dieser
vier Wände weiter nachdenken.
Auf
dem Flur traf Anyún auf Lir.
„Wie
geht es der Königin heute?“ erkundigte sich der Junge
besorgt.
Anyún
versuchte zu lächeln. „Sie ist noch immer bewusstlos. Aber
solange sie schläft, hat ihr Körper Zeit zu heilen.“
Seit
seine Mutter nach Kantú aufgebrochen war, wich er kaum von
Anyúns Seite. Sie konnte ihn gut verstehen. Er war hier
vollkommen fremd und Anyún war die einzige, die er länger
kannte. Wenn wenigstens Malja hier geblieben wäre... Sie
verstand sich gut mit ihm und wusste, wie man ihn sinnvoll
beschäftigte. Anyún konnte zwar ihre kleinen Geschwister
beschäftigen, aber sie konnte Lir wohl kaum in den Hühnerstall
zum Eiersammeln und Ausmisten schicken oder mit ihm Fangen im Heu
spielen. Dazu war er zu alt und zu ernsthaft.
„Komm,
wir gehen an die frische Luft“, schlug Anyún vor.
Sie
holten leichte Umhänge aus den Gemächern und Anyún
steckte auch etwas Geld ein.
„Wohin
gehen wir?“ Lir war nicht nur neugierig, sondern auch
aufgeregt. Die Tage im Schloss mussten ihn sehr langweilen.
„Lass
uns einfach durch die Stadt gehen. Ich muss nachdenken und draußen
kommen mir immer die besten Ideen.“
Sie
gingen ohne Begleitung. Dejia war eine friedliche Stadt. Und in ihren
einfachen Umhängen fielen sie unter dem Volk kaum auf.
„Ich
hätte nie gedacht, dass so viele Menschen an einem Ort leben
können“, staunte Lir, der sich dicht neben ihr hielt. Kein
Wunder, er hatte sein ganzes Leben in den Wäldern der Amazonen
verbracht.
Anyún
zeigte ihm den Markt, auf dem die Händler ihre Waren feilboten.
Sie kauften sich an einem Stand süßes Gebäck und an
einem anderen einen Krug Apfelsaft. Nach Osten hin wurden die Straßen
etwas leerer. Anyún beschloss, ihrem Neffen den Teil der Stadt
zu zeigen, der vor sechs Jahren durch das Feuer unbewohnbar geworden
war. Vereinzelt tauchten noch rußgeschwärzte Ruinen auf.
Sie standen neben frisch erbauten, weiß getünchten
Häusern.
„Wie
kam es zu dem Feuer?“ wollte Lir wissen.
„Man
weiß es nicht genau... Das Feuer brach im Tempel Zaroms aus.
Manche sprechen von einem tragischen Unfall. Ein Novize habe die
Fackeln nicht richtig gehütet. Andere sagen, die Priester Zaroms
hätten Experimente mit Höllenfeuer gemacht. Wiederum andere
sprechen sogar von einem Anschlag durch fanatische Lichtgläubige.
Jedenfalls wurden sowohl der Tempel Zaroms als auch der Lichttempel
komplett zerstört, beinahe der komplette Ostteil der Stadt.
Viele Menschen starben...“
Es
war ein unglückseliger Tag für Dejia. Jeder Mensch verlor
einen geliebten Freund oder Verwandten. Anyún dachte wieder an
Maara, Maljas kleine Schwester. Das Mädchen mit dem wilden Gemüt
und den schwarzen Augen war so lebhaft und ungestüm gewesen.
Anyún hatte sie immer bewundert für ihren Mut. Sie konnte
gar nicht glauben, dass Maara wirklich tot war. Aber so war es. Und
Anyún erinnerte sich noch heute an den Gestank des Feuers und
des Todes der damals über der ganzen Stadt hing. Es war nur den
magischen Fähigkeiten der Mondpriester zu verdanken, dass das
Feuer nicht auf den Rest der Stadt übergriff. Sie errichteten
eine Barriere aus Wasser und löschten allmählich die
Flammen.
„Es
muss ein magisches
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