Alantua
angekommen? Wie erging es ihnen dort?
„Alanwy“,
betete sie leise. „Bitte beschütze Phiol und Kwarren. Sie
dienen dem Guten, sie dienen Alantua. Von ihnen hängt unser
aller Schicksal ab. Große Göttin des Lichts, bitte hilf
uns ... hilf mir! Ich weiß nicht, was ich tun soll!“
Als
das Licht der untergehenden Sonne im richtigen Winkel auf den
Kristall traf, schloss Anyún die Augen und badete im Licht der
Göttin.
***
Als
Anyún mit Lir zurückkehrten in die königliche Burg,
war es bereits dunkel.
„Prinzessin,
General Tyron erwartet Euch bei der Königin“, wurden sie
von der Wache begrüßt.
Offensichtlich
waren sie vermisst worden. Anyún war sich keiner Schuld
bewusst. Sie und Lir waren schließlich keine Gefangenen und
konnten sich frei in der Stadt bewegen. Oder war etwas passiert? Ob
Mutter...? Anyún beschleunigte ihre Schritte. Lir blieb
zurück, unsicher, ob er folgen sollte oder nicht.
Nur
ein Kandelaber erhellte das Gemach. An Martrellas Bett kniete nicht
General Tyron, sondern ein Mann, der sich umdrehte, als er Anyúns
Eintreten bemerkte.
„Vater!“
Noch ehe sie sich versah, lag sie in seinen Armen, den Kopf an seiner
Schulter verborgen und weinte.
Auch
in seiner Stimme lag ein Zittern. „Marta hat mir eine Nachricht
zukommen lassen und ich kam, so schnell ich konnte.“
„Sie
können ihr nicht helfen“, schluchzte Anyún. „Keiner
kann ihr helfen.“
„Ihr
Schicksal unterliegt dem Willen der Götter, mein Kind. Noch ist
sie nicht von uns gegangen.“ Semeros wandte sich wieder der
bewusstlosen Königin zu. Er befühlte sanft ihre Stirn,
fühlte den Puls und nahm ihre Hand, so wie Marta Tyron es immer
tat. „Ich bin hier, meine Liebe, hörst du?“ sprach
er so leise, dass Anyún es kaum hören konnte.
Marta
trat aus dem Schatten hervor. „Es ist gut, dass Ihr kommen
konntet. Eure Tochter braucht Euch ... und Martrella vermutlich auch.
Ich ziehe mich nun zurück und lasse Euch allein.“
Anyún
wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und kniete sich
neben ihren Vater. Wie liebevoll er ihre Mutter berührte. Anyún
konnte sich nicht daran erinnern, jemals erlebt zu haben, wie er
Martrella so berührte.
„Wenn
wir doch nur einen Heilmagier finden könnten“, seufzte
Anyún. „Oder wenn Großvater noch am Leben wäre...“
Doch
ihr Vater schüttelte den Kopf. „Wenn die Götter einen
Menschen zu sich rufen, kann auch die Heilmagie nicht helfen.“
Er sah sie ernst an, seine Stirn lag in tiefen Falten und die sonst
hellbraunen Augen wirkten in diesem Licht schwarz. „Ich weiß,
dass du das Buch mitgenommen hast.“
„Vater,
ich habe es geschafft damit zu heilen! Ich habe eine Verletzung bei
mir selbst heilen können, mit reiner Magie. Und ich habe
Kwarrens Verletzung heilen können! Wenn ich den richtigen
Zauberspruch finde für Mutters Krankheit, kann
ich
ihr bestimmt helfen!“ Jetzt, da ihr Vater hier war, fühlte
sie sich sicherer. Er konnte ihr helfen, die Worte des Buches zu
verstehen.
Aber
er schüttelte den Kopf. „Anyún, mein Kind, diese
Art der Magie ist nicht einfach zu handhaben. Sie birgt viele
Gefahren. Du musst zuerst verstehen, wie Heilmagie funktioniert. Sie
stammt aus deinem Geist, aus deinen eigenen Lebenskräften und
entsteht durch die Kraft der Götter. Durch die Kraft
aller
Götter. Wer sich der Heilmagie verpflichtet, verpflichtet sich
dem Dienste jedes einzelnen Gottes: Alanwy, die das Licht spendet;
Semja, die das Leben spendet; Monwym, die das Wasser spendet; Wenwym,
der den Atem und die Lüfte spendet; Zarom, Herr der Dunkelheit
und des Todes. Ja, auch Zarom verpflichtet man sich. Es sind Jahre
des Studiums notwendig, um die Magie wirklich zu verstehen und sie zu
beherrschen.“
„Du
kennst dich mit der Heilmagie aus, dein Vater war Heilmagier, du
kannst mich lehren!“ Anyún war noch immer
enthusiastisch. Sie wusste, dass sie ihrer Mutter helfen musste. Wer
sonst? Alle anderen hatten es doch schon versucht, nur sie selbst
nicht.
„Anyún,
verstehst du nicht, was ich sage?“ Er nahm ihr Gesicht in beide
Hände. „Wir brauchen Zeit. Und wir haben keine Zeit. Ja,
wenn du es möchtest, kann ich dir alles beibringen, was ich über
die Heilmagie weiß. Aber das reicht nicht. Du brauchst einen
Heilmagier, der dich die Dinge lehrt, die nur er wissen kann.“
„Wir
müssen es versuchen!“
„Anyún,
Kind...“
„Nein,
Vater! Ich bin kein Kind mehr! Alantua steht vor einem Krieg. Meine
Schwestern sind in Kantú. Meine
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