Alantua
Mutter liegt im Sterben. Ich
kann nicht hier sitzen und einfach warten, dass etwas geschieht!“
Warum
verstand er sie nicht? Wollte er denn ihrer Mutter nicht helfen?
Traute er es seiner Tochter einfach nicht zu?
Sie
stand auf und verließ das Gemach. Warum wollte sie einfach
überhaupt niemand verstehen? Sie eilte auf ihr Zimmer. Das
violette Buch der Heilmagie lag unter ihrem Kopfkissen. Sie holte es
hervor, den Blick tränenverschleiert. Es waren Tränen der
Wut und der Verzweiflung. Vielleicht reichten ihre Fähigkeiten
nicht aus, ihre Mutter ganz zu heilen, aber womöglich konnte sie
ihr Leiden wenigstens etwas lindern oder ihr mehr Zeit verschaffen.
Im Schein einer einzelnen Kerze las sie in dem magischen Buch, bis
ihr die Augen zufielen.
Glänzend
im Schein der Flammen erhob sich der mächtige Körper.
Rotgolden schimmerten seine Schuppen. Als er die breiten Schwingen
ausbreitete, fauchte er und Flammen schossen aus seinem Maul. Er
erhob sich zu seinem majestätischen Flug als Herrscher über
die Welt. Unter ihm brannte die Erde. Und die Schreie seiner Opfer
waren die Erfüllung, nach der er sich gesehnt hatte...
Die
Kerze war erloschen, als Anyún die Augen öffnete. Ihr
Kopf schmerzte, ein schrilles Pfeifen klang in ihren Ohren. Doch sie
war ganz ruhig. Hatte sie nicht Alanwy um Hilfe gebeten? Anyún
hatte geglaubt, Alanwy habe ihr ihren Vater geschickt. Aber es war
der Traum gewesen, eine weitere Botschaft. Jetzt wusste Anyún,
was sie zu tun hatte.
Die
Wachen vor der Kammer im Westturm sahen überrascht auf, als zu
später Nachtstunde ihre Prinzessin vor sie trat.
„Prinzessin!“
Die Wächterin verbeugte sich und ihr männlicher Kollege tat
es ihr nach einer Schrecksekunde gleich. „Was können wir
für Euch tun?“
„Ich
möchte mich mit unserem Gast unterhalten.“
Die
beiden tauschten beunruhigte Blicke. „Prinzessin, solltet Ihr
das nicht zunächst mit General Tyron besprechen? Kommt morgen
wieder...“
„Nein,
ich habe keine Zeit!“ Anyún ließ sich nicht
einschüchtern. „Ich muss mit ihm sprechen, also lasst mich
sofort hinein!“
Die
Wachen wirkten verunsichert.
„Sofort
sagte ich! Oder wollt Ihr Euch einem Befehl Eurer Prinzessin
widersetzen?“
Ihre
Worte erreichten das gewünschte Ziel und sie ließen sie
endlich hinein, obwohl Anyún nicht daran zweifelten, dass sie
umgehend General Tyron informieren würden.
Er
saß am Fenster auf einer Bank und starrte hinaus in die Nacht.
„Du
bist es“, stellte er müde fest.
Sie
hatte keine große Lust auf Begrüßungsreden und kam
sofort auf den Punkt: „Wieso hast du mir nicht gleich gesagt,
wer du bist?“
„Ich
weiß es nicht. Der Name Arthes gehörte zu meiner
Vergangenheit, ich habe ihn abgelegt, als ich ein Krieger Zaroms
wurde.“
„Aber
als wir uns über diese Visionen unterhielten ... da hieltest du
es nicht für nötig, diese Lappalie zu erwähnen? Du
wusstest doch ganz genau, dass es dein Bruder war, der in meinen
Träumen auftauchte. Und du musst gewusst haben, wer ich bin!“
Sie
stand mitten im Raum, die Hände in die Hüften gestemmt.
„Ja,
ich wusste es. Aber warum hatten wir beide die selben Träume?
Das war es, was ich zuerst herausfinden musste!“ Er stand auf
und kam zu ihr. „Warum bist du jetzt hier?“
„Hattest
du eine neue Vision?“ fragte sie zurück.
„Ich
habe seit Nächten nicht geschlafen.“ Nun erkannte sie auch
die dunklen Ränder unter den Augen und den Schatten des
Bartwuchses. „Wovon hast du geträumt?“
„Wenn
du es selbst nicht gesehen hast, ist es sinnlos, mich mit dir darüber
zu unterhalten.“
Sie
drehte sich um und wollte gehen. Sie war enttäuscht. Er konnte
ihr nicht helfen. Oder wollte er nur nicht? Sie wusste gar nichts
mehr. Warum war er nicht einfach von Anfang an ehrlich zu ihr
gewesen?
Er
packte sie an den Schultern und hielt sie zurück. „Hast du
wieder von Arthano geträumt?“
„Nein.“
Sie wich vor ihm zurück.
„Von
Feuer? Anyún, bitte sag es mir! Wenn es eine Vision war, kann
ich dir vielleicht sagen, was sie bedeutet!“
Sie
war bereits an der Tür.
„Anyún!
Die Götter sprechen zu uns, zu dir und zu mir. Das
muss
etwas bedeuten. Warum ausgerechnet zu uns beiden?“
„Ihr
Blut fließt in unseren Adern, wir sind ihre Erben“, sagte
sie zögerlich.
„Doch
warum sprechen sie nicht zu deinen Schwestern? Die Götter haben
uns für eine Aufgabe erwählt. Und ich glaube, ich weiß
zu welcher.“
„Dann
sag es mir. Sag mir, was du
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