Alantua
in den Kerkern. Genau dort
wollte Arthes hin. Ihm war klar, dass er allein nichts gegen seinen
Bruder ausrichten konnte. Er brauchte die Hilfe von Männern, die
ebenso dachten, wie er.
Also
hatte er einen Streit in einer der Spelunken angefangen, man hatte
die Stadtwache gerufen. Jemand hatte ihn erkannt. Und so waren sie
vor Arthano geführt worden.
Der
Moment, in dem der Mann aus ihren Visionen vor ihr stand, ging Anyún
nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte so viel Leid gesehen. Sie wusste,
wozu er fähig war. Sie hatte Angst vor ihm. Doch er erkannte sie
nicht. Er hatte sie in Ruhe gelassen, vorerst. Auch dank ihrer
Schwester, die ihn abgelenkt hatte. Warum war Kwarren dort gewesen?
Das Verhältnis zwischen ihnen hatte beinahe vertraut gewirkt...
Was hatte ihre Schwester mit Arthano zu besprechen? Sie würde
sie fragen, sobald sie sich das nächste Mal sahen.
Falls
sie
sich ein nächstes Mal sahen. Denn im Moment saß Anyún
hier unten fest.
Sie
hatte sich den Kerker ganz anders vorgestellt: Finster, kalt, feucht,
stinkend und voller Unrat. Doch hier unten war es warm und trocken.
Der Geruch war modrig, aber erträglich. In den Ecken raschelte
es im Heu, Anyún vermutete dort Ratten und hielt sich fern von
ihnen.
„Arthes?“
rief sie vorsichtig, denn vielleicht war er in Hörweite.
„Arthes?!“
„Halt
die Klappe!“ erhielt sie als Antwort aus der Zelle neben der
ihren.
„Verzeihung.“
Der
andere Gefangene prustete belustigt. „Wer bist du, Mädchen?
Kommst nicht von hier, oder?“
„Nein,
ich komme von der Insel der Magier.“
„Aha,
was hast’n angestellt?“
„Ich
wurde zusammen mit Arthes ... Prinz Arthes aufgegriffen.“
„Hätte
nicht gedacht, dass der herkommt.“
„Und
Ihr? Warum seid Ihr hier? Habt Ihr Euch gegen den Herrscher gewandt?“
„Wenn’s
so wäre, würd’ ich das ganz bestimmt nicht laut
sagen. Nee, hab geklaut und bin erwischt worden. Is’ mir egal,
wer die Krone auf’m Kopp trägt, Hauptsache, er hackt mir
nich die Hand ab!“
„Hmm,
verstehe...“
Sie
hörte Kettenrascheln und ein Ächzen. Ihr Gesprächspartner
rückte näher an die Gitterstäbe. „Hör mal,
ich kann dir aber sagen, wer sich sehr freuen wird, dass der Prinz
wieder da is. Musst mir nur was versprechen...“
„Und
das wäre?“
„Nimm
mich mit, wenn du ausbrichst... und nen Kuss hätte ich auch
gerne. Hörst dich jung und hübsch an.“ Der Mann
grunzte.
„Ich
habe gar nicht vor, auszubrechen.“
„Ääähh...
und ich kann Feuer aus’m Arsch spucken. Klar haust du ab und
lässt mich armen Kerl hier unten verrecken.“
„Ich
überlege es mir.“
„Überleg
nicht zu lange, man munkelt, der König hat was Großes vor.
Das will dein Arthes doch bestimmt verhindern.“
„Ich
überlege es mir“, wiederholte Anyún. Sie konnte
nicht wissen, ob dies vielleicht ein Trick war, sie auszuhorchen. Der
General oder Arthano selbst waren bestimmt sehr interessiert daran zu
erfahren, warum Arthes hier war und warum sie ihn begleitete. Anyún
hatte keine große Lust, noch hier unten zu sein, wenn man
beschloss, sie auszuhorchen. Dies war ihre größte Sorge im
Moment; sie wusste nicht, wie viel Zeit bereits vergangen war und wie
viel Zeit ihr blieb, bevor man sie holte. Und wie lange musste sie
warten, bis Arthes seinen Plan umgesetzt hatte?
„Hey,
Mädchen“, grunzte ihr Nachbar.
„Ja?“
„Wenn
du ‚ne kleine Hexe bist, wieso zauberst du dich nicht einfach
hier raus?“ Er gluckste über seinen Scherz.
Sie
lachte. „Vielleicht tue ich das ja noch... Aber sag doch,
dieser Mann, von dem du gesprochen hast... der, der sich über
Arthes’ Rückkehr freuen würde, wo ist der?“
„Also
nimmst du mich mit?“
„Ja.“
„Versprochen?“
„Ja,
bei den Göttern.“
„Das
reicht mir nicht. Hier...“ Sie hörte ein Rotzen und
Spucken und im Schein der Fackel quetschte er seine Hand durch die
Gitterstäbe. „Schlag ein!“
Anyún
griff ihrerseits durch die Gitterstäbe und musste sich
verrenken, seine Hand zu erreichen. „Einverstanden.“
Als
sie ihre Hand zurückgezogen hatte, wische sie diese sorgfältig
an ihrem Kleid ab.
„Da
den Gang runter sitzt irgendwo ein junger Kerl, ein Novize glaub ich.
Hab gehört, wie die Wärter sich über ihn unterhielten.
Die neuen Priester wollten was von ihm wissen, er wollte es ihnen
nicht sagen, bis sie ihn gefoltert haben. Hat übel ausgesehen,
der arme Junge, als sie ihn hier vorbeischleppten.“
Anyún
dachte nach. Konnte ihnen ein
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