Alantua
wie sie alle versklavt oder getötet werden, weil
mein eigener Stolz zu groß war, das zu tun, wozu ich in der
Lage bin?“
„Ich
wünschte, deine Mutter könnte deine Worte hören.“
„Ich
erlaube dir, mich zu zitieren, wenn du sie das nächste Mal
siehst.“ Ich gab Malja einen freundschaftlichen Knuff gegen die
Schulter. „Geh und beschütze meine Schwester, so wie es
die Tyrons tun.“
Sie
atmete tief durch. „Eine Tyron erfüllt immer ihre
Pflicht.“
„In
der Tat.“
„Nun,
diesmal ist es nicht so. Ja, mein Eid verpflichtet mich, euch zu
beschützen. Doch ich hatte einen weiteren Befehl, persönlich
erteilt von der Königin und meiner Mutter. Der Falke, der zur
Goldsonne
kam,
bestätigte noch einmal den Befehl.“ Ihr Kiefer spannte
sich wieder an. „Ich soll Arthano töten, bevor er gekrönt
wird. DAS war mein Befehl.“
Ich
verharrte. Sie hatten ihrem besten Wachhund befohlen, einen Mord zu
begehen und setzten damit dessen Leben selbst aufs Spiel. Was würden
Arthanos Anhänger mit Malja anstellen, wenn der Plan meiner
Mutter und General Tyrons misslang?
„Noch
ist er nicht gekrönt.“
„Aber
morgen wird er es sein. Und ich komme nicht an ihn heran, nicht nahe
genug.“ Ihre dunkelblauen Augen hielten meinen Blick fest. „Im
Gegensatz zu dir.“
Ich
verstand. Und so niederträchtig der Befehl der Königin war,
so Recht hatte sie auch damit. Arthano konnte nur durch den Tod
aufgehalten werden.
„Überlass
die Aufgabe mir, Malja.“
„Bist
du sicher?“
„Ich
werde es sowieso tun müssen. Entweder er – oder ich.“
Maljas
Augen verengten sich. Das war die harsche Frau, die ich kannte. „Dann
frage ich mich, liebe Kwarren, wieso hast du es nicht getan, als er
soeben schlafend vor dir lag?“
Ein
zartes Klopfen an der Tür ließ sie aufhorchen. Ihr Vorwurf
aber hing in der Luft.
Phiol
steckte ihren hübschen Kopf herein. „Kwarren, hast du
Hunger? Ich habe dir einen Diener mitgebracht, der ein Tablett voll
Essen bringt.“
„Ich
bin eigentlich nicht sehr hungrig.“
Meine
Schwester lächelte frech, wie ich es selten bei ihr gesehen
hatte. „Doch, hast du bestimmt.“
Sie
stieß die Tür weiter auf. Neben ihr stand ein Mann im
schwarzen Tuch, das die Dienerschaft des Schlosses trug, nicht das
graue Tuch der Sklaven. Die dazu gehörige Gugel hatte er tief
ins Gesicht gezogen und in den Händen hielt er das versprochene
Tablett voller Köstlichkeiten.
„Prinzessin“,
sagte er und da wusste ich, wen sie mir gebracht hatte.
„Komm,
Malja, lassen wir die beiden allein.“
Ty
stellte das Tablett auf einem Tischchen neben dem Bett ab und zog die
Kapuze ab. Er kam zu mir und schloss mich fest in die Arme.
„Ich
konnte nicht einfach gehen“, sagte er leise. „Ich musste
dich noch einmal sehen.“
Ich
barg meinen Kopf an seiner Schulter. Er hatte Recht: Vielleicht sahen
wir uns hier und jetzt das letzte Mal. Langsam wickelte er mich
Schicht um Schicht aus meinen Bettlaken.
„Bei
den Göttern, was hat er dir angetan?“ Seine Stimme war
rau. Und da konnte ich nicht mehr. Ich tat etwas, was ich lange Zeit
nicht getan hatte: Ich weinte.
Alle
Anspannung, die Sorgen, die Ängste, die Wut, die Verzweiflung,
der Ekel ... sie lösten sich in einem heftigen Schluchzen. Er
hielt mich, so fest er konnte, ohne mir wehzutun.
„Ich
bin ja da“, sagte er. „Ich bin da.“
„Ich
werde ihn heiraten“, brachte ich schluchzend zustande.
„Ich
weiß.“
Und
dann sprachen wir nicht mehr. Ich lag in seinen Armen, weinte mich in
den Schlaf und er hielt mich einfach nur fest. Die ganze Nacht.
Gefangen
Eine
einzelne Fackel spendete flackerndes Licht in einer Nische des
Verlieses. Anyún hielt sich an den Gitterstäben ihrer
Zelle fest und versuchte, den Gang entlang etwas zu sehen. Der
General war Arthanos Befehl nachgekommen und hatte Anyún in
eine einzelne Zelle gesteckt. Arthes war irgendwo noch tiefer in den
labyrinthartigen Gängen. Sie hatten damit gerechnet, getrennt zu
werden. Anyún hoffte nur, dass der Rest des Planes ebenso gut
verlief, wie der Anfang.
Der
Mahr hatte sie früh am Abend etwas außerhalb der Stadt
abgesetzt. Arthes wusste, wo er in der Stadt nach den Informationen
suchen musste, die er brauchte. In den Spelunken waren sie unerkannt
geblieben. Sie erfuhren, dass Arthano die Priester Zaroms vertrieben
oder getötet hatte. Viele seiner Widersacher waren hingerichtet
worden. Doch die unwichtigen Männer, die keine direkte Gefahr
für Arthano bedeuteten, saßen
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