Alantua
Worte verstand man nicht.
Vor
der Tür stand ein Mann, gefolgt von seinen eigenen Anhängern,
einem Haufen sehr heruntergekommener und abgemagerter Gestalten.
Arthes war es irgendwie gelungen, aus dem Kerker zu entkommen! Ganz
dicht hinter ihm stand meine Schwester.
„Bruder,
wie schön, dass du an meiner Krönung teilnehmen möchtest“,
rief Arthano ihm zu. „Leider kommst du etwas spät.
Verbeuge dich vor deinem König!“
„Du
hast kein Anrecht auf diesen Titel!“ rief Arthes und seine
Stimme überschlug sich. „Du hast unseren Vater getötet!“
Entsetzten
war auf den Gesichtern der ahnungslosen Gäste zu sehen.
Entsetzen, Verwirrung und Unsicherheit.
„Du
lässt mir keine Wahl, kleiner Bruder. Ergreift ihn!“
Die
Bewaffneten traten vor, ohne zu zögern. Arthes und seine
Anhänger – es mussten um die fünfzig sein –
waren bewaffnet und gingen in Verteidigungsposition.
„Folgt
nicht diesem Mann!“ rief Arthes in den Tempel. „Seht
doch, wie er gegen alle Gesetze handelt: Er tötete seinen
eigenen Vater, er hat seine Ketzer als Priester eingesetzt, den
Tempel unseres Hohen Gottes Zarom entweiht!“
Die
Soldaten griffen an. Frauen schrien auf, Männer riefen wild
durcheinander. Ich konnte Anyún in diesem Getümmel nicht
mehr ausmachen.
Das
Blatt wendete sich gegen Arthano, das erkannte ich, und er genauso.
Die Menschen waren wachgerüttelt. Allein Arthes’
Erscheinen hatte ihnen gezeigt, dass Arthano nicht die einzige Wahl
war. Es gab andere Wege...
Arthano
packte mich am Handgelenk.
„Komm.“
„Nein.“
Zornig
legte sich seine Stirn in Falten und seine hellen Augen glänzten
vor Wut. „Du hast es geschworen. Du wolltest deinen Weg mit mir
gehen.“
Ich
blieb ruhig. Irgendwo in ihm musste doch ein Funken des Verstandes
vorhanden sein. „Siehst du es nicht? Die Menschen ... das Volk
von Kantú will dich nicht. Das Volk will keinen brutalen,
allmächtigen Herrscher.“
„Nicht
das Volk bestimmt, wer König ist!“ brüllte er. „ICH
bin der König!“
Die
Menschen hörten ihn nicht. Voller Hass holte er aus und schlug
mich ins Gesicht, ließ damit seine ganze Wut an mir aus. Von
der Wucht getroffen, taumelte ich nach hinten.
Plötzlich
war Malja da, unbewaffnet, wie es in einem Tempel sein sollte. Doch
sie hatte noch ihre Hände. Mit geballter Faust traf sie Arthanos
Kinn.
„Gib
auf, Arthano“, sagte sie besonnen.
Im
Augenwinkel bemerkte ich die Bewegung einer Priesterin.
„Malja!“
rief ich warnend.
Die
Kriegerin aber hatte die Bewegung der Schwarzgekleideten bereits
erfasst. Sie wich rechtzeitig einem auf sie gerichteten Feuerball
aus.
„Kümmert
euch um die beiden Weiber!“ befahl Arthano seinen Priestern.
Es
sollte nicht soweit kommen, denn in diesem Moment brach der Zorn der
Götter über Kantarra ein.
Ich
spürte, wie die Erde unter meinen Füßen schwankte.
Die Wände des Tempels bewegten sich wie Treibgut auf Wellen.
Menschen schrien auf. Erdbeben! Gesteinsbrocken lösten sich,
prallten hernieder, begruben schreiende Menschen unter sich. Einer
der Brocken traf den Hohepriester vor meinen Augen. Malja und ich
wichen zurück. Sofort galt ihre Sorge Phiol. Aber wo war meine
Schwester?
Der
Kampf am Eingang des Tempels war einem Chaos der Flucht gewichen. Die
Menschen wollten nur noch hinaus, bevor sie von Trümmern
erschlagen wurden. Sie schubsten, drängten und stießen
sich. Ich sah Männer, die panisch über andere stiegen und
diese zu Tode trampelten. Die Erde bebte noch immer. Die Bärin
in mir brüllte, trieb mich ebenfalls zur Flucht. Ich wollte mich
nicht wandeln, noch nicht! Ich musste Phiol und Anyún finden.
Und Arthano, wo war dieser Bastard?
Ein
weiterer Brocken löste sich aus der Decke und zerschmetterte den
Altar. Ich nahm Malja an der Hand und zog sie hinter mir her.
„Wir
müssen Phiol finden!“ keuchte sie.
„Und
wir müssen überleben“, antwortete ich.
Es
gab eine kleine Tür vorne im Altarraum. Ich hatte sie gesehen,
als ich mich während der Predigt des Priesters gelangweilt
umgeschaut hatte. Ich zog Malja mit mir. Die Tür war
verschlossen, doch der Rahmen bot zunächst Schutz vor
herabstürzenden Gesteinsbrocken. Das hoffte ich zumindest. Malja
sah einen ihrer Männer und rief ihn zu uns. Er quetschte sich
neben sie in den Schutz des Türrahmens.
„Wo
ist die Prinzessin?!“ verlangte Malja zu wissen.
„Arthano
hat sie. Wir haben versucht, ihn aufzuhalten. Sein Feuerpriester hat
zwei unserer Leute getötet, dann konnte er
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