Alantua
einhakte. Die Priester stimmten einen summenden Singsang an, der
wie ein wilder Bienenschwarm klang. Als wir das Schloss verließen
und die Stufen hinabstiegen auf den großen Platz, revidierte
ich meine Meinung: Kein Bienenschwarm war es, sondern ein
Totengesang. Die Bewohner und Besucher der Stadt hatten sich auf dem
Platz versammelt. Arthanos Soldaten flankierten unseren Weg. Außer
dem Summen der Priester war nichts zu hören. Die Menschen
starrten uns an und schwiegen. Ob vor Angst oder vor Hass vermochte
ich nicht zu sagen. Endlos schien mir der Weg über den
gepflasterten Boden zu dem schwarzen Tempel. Es war bereits
Nachmittag, die Sonne war auf ihrem Gang zum Horizont. Der Geruch des
Todes lag über der Stadt. Ich wünschte, ich hätte mehr
von der feurigen Flüssigkeit getrunken, sie hätte mein
Sinne beruhigt. Stattdessen spürte ich jeden Blick, der auf uns
ruhte, vernahm den stechenden Geruch, der schon seit unserer Ankunft
in der Luft lag. Das summen der Priester pochte in meinen Schläfen.
Die Bärin in mir ergrimmte. Zu gerne hätte ich ihr
nachgegeben, mir das Kleid vom Leib gerissen und meinen Unmut
hinausgebrüllt.
Ich
blieb stehen.
„Was
ist?“ Arthano sah mich alarmiert an. Er rechnete mit einem
Trick meinerseits, um doch noch zu entkommen. Dabei hatte ich ihm
doch glaubhaft gemacht, dass ich das alles ebenso wollte wie er.
„Warte
bitte ... nur einen Moment...“
„Es
gibt keinen Moment“, zürnte er.
„Wenn
du nicht gleich neben einer Bärin vor dem Traualtar treten
möchtest, dann gibt es diesen Moment – jetzt!“ Ich
atmete durch den Mund tief in den Bauch, die Augen geschlossen. Ich
zählte bis fünf, dann atmete ich wieder aus. „So, nun
geht es wieder.“
Den
Rest des Weges hielt ich meinen Blick nur auf die Pflastersteine vor
meinen Füßen gerichtet und schottete meine Sinne ab.
Als
wir den schwarzen Tempel betraten, der einst der Ehrung Zaroms und
nun dem Dämonengott diente, erhoben sich die Anwesenden. Der
Priestergesang änderte sich. Sie sangen mit tieferer Stimme
unverständliche Worte. Ich erblickte Phiol ganz vorne in der
ersten Reihe. Malja stand neben ihr und unsere Leibgarde bei ihnen.
Nur noch wenige Stunden, dann wäre meine ältere Schwester
in Sicherheit. Wenigstens sie.
Ich
war froh, dass Ty nicht hier war. Die Versuchung, sich in seine Arme
zu stürzen und wegzurennen, wäre zu groß gewesen. Es
hätte unserer beider Tod bedeutet.
So
schritten die schwarzgekleideten Priester an den Altar, reihten sich
nebeneinander auf und drehten sich um, die Gesichter der Gemeinde
zugewandt. Sie beendeten ihren schaurigen Gesang mit einem heftigen
Aufwallen ihrer Stimmen und einem plötzlichen Verstummen.
Die
Anwesenden setzten sich. Arthano und ich blieben vor den Priestern
stehen. Die Krönungszeremonie begann mit einer langen
Begrüßungsrede des ältesten Priesters. Bald wurde ihm
von einer Priesterin eine goldene Krone gereicht, die besetzt war mit
roten Edelsteinen. Gemurmel war unter den Gästen zu hören.
Ich sollte erst später erfahren, dass Arthano die Jahrhunderte
alte Krone Kantús durch eine neue ersetzt hatte.
„Arthano,
Prinz von Kantú“, sprach der Priester endlich. „Schwörst
du, unseren Feuergott als einzigem Gott treu zu folgen, dein Leben in
seinen Dienst zu stellen und das Land nach
seinem
Willen zu regieren?“
„Ich
schwöre“, sprach er angespannt.
Der
Priester hob die Krone über Arthanos Haupt. „So erhebe
dich als König, Arthano von Kantú!“
Und
während er sich erhob, wurde ihm die Königskrone
aufgesetzt. Stolz drehte er sich, die Hände zu Fäusten
geballt, der Blick voller Triumph.
„Begrüßt
euren neuen König“, befahl der Älteste. Die anderen
Priester fielen auf die Knie und beugten ihre Häupter. Die Gäste
im Tempel taten es ihnen einer nach dem anderen gleich. Fanfaren
ertönten und verkündeten den neugekrönten König.
Von
draußen drang plötzlich Lärm herein. Das Volk war
aufgebracht. War nun der Moment gekommen, da die Menschen zur
Besinnung kamen und sich gegen den neuen Herrscher erhoben?
„Öffnet
die Türen!“ befahl Arthano.
„Hoheit“,
widersprach der Priester.
„Sie
sollen mich sehen ... und bei meinem Anblick erzittern.“
„Aber
das Ritual ... Ihr seid noch nicht so weit.“
„Das
hat Zeit. Sieh doch, die Sonne geht gerade erst unter. Die Nacht ist
lang.“
Die
Wachen folgten seinem Befehl und die schweren Flügeltüren
wurden geöffnet. Die Stimmen von draußen wurden lauter,
die
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