Alarm im Tunnel Transterra
hat. Ich sah, wie er im Skaphander und mit dem Handwerfer zur Luftschleuse ging. Er war der Kommandant. Da war nichts zu machen.
Bob saß mit verkniffenem Gesicht neben mir. Als Spinks die Luke des Lifts hinter sich zuknallte, sagte er leise: „Das ist Magister Spinks. Gut, daß du ihn nicht daran gehindert hast.
Widerstand verträgt er nicht.“
Ich reagierte kühl, denn ich war beleidigt. Bobs Demut und Unterwürfigkeit brachten mich genauso auf wie dieser korenthische Raumflieger. Bei allem Mitleid und aller Sympathie für den schwächlichen Piloten – sein gelegentlicher heimlicher Protest unter vier Augen verstärkte für mich noch den Anschein der Feigheit. Etwas Stolz und Selbstachtung besaß er doch auch! Daß er mich als heimlichen, jedoch genauso wehr-losen Verbündeten ansah, kränkte mich. Ich war bereit, ihm zu helfen; für die Rolle einer stummen Klagemauer war ich mir auf die Dauer aber zu schade.
Viel später erst verstand ich, daß sich mein Groll in erster Linie gegen eine andere Person richtete, die an diesem Konflikt ebenso beteiligt war, die sich ebenso indifferent verhielt und von der ich mein Gewissen ablenken wollte. Gegen den Inspektor Pyron, der in dem Labyrinth der ewigen kleinen und großen Auseinandersetzungen hilflos umhertappte und dankbar nach jeder sich anbietenden Lösung griff, die die Situation dann doch nur für kurze Zeit bereinigte. Nämlich so lange, bis am Baum der Konflikte eine neue Knospe aufbrach. Und ich begann zu begreifen, daß dieses häßliche Gewächs bald in voller Blüte stehen würde. Bob war viel zu sehr in eigene Gedanken versunken, um etwas von dem Waffengeklirr zu hören, das meine Stimme von dem Kampfplatz meiner Gefühle und Gedanken zu ihm hinübertrug. „Ich vertrage auch so ma nches nicht! Und wenn das so weitergeht, schließe ich mich in meiner Kabine ein und komme erst wieder heraus, wenn die Formation HELIOS den Tunnel TRANSTERRA unbeschadet durchflogen hat!“
Das war sicher kindisch. Bob hätte mich zurechtweisen kö nnen. Das tat er nicht. Er beschämte mich. „Ich verstehe dich, Pyron. Obwohl du mich nicht verstehst, vielleicht nie verstehen wirst. Wir sind zu verschieden voneinander, nicht nur im Aussehen.“ Er lächelte schwach, und sein Lächeln war so verletz-lich wie eine Seifenblase. „Ich brauche jetzt deine Hilfe mehr denn je. Wir werden in den nächsten Stunden Ärger mit Spinks bekommen, gegen den alles bisher Vorgefallene verblaßt. Er glaubt sich im Recht und wird so handeln, wie es ihm sein Gewissen vorschreibt. Und dieses Gewissen ist ein kompliziertes Ding. Bei allem darfst du aber eins nicht vergessen: Er ist der Kommandant.“ Bob machte eine kurze Pause und sah mich durchdringend an, bevor er fortfuhr: „Aber ich bin der Raumkreuzer!“ Aus seinen Worten klang alles andere als Demut oder sklavische Ergebenheit. „Ich bin zwar nur ein Synthom, aber ich fühle, denke und handle wie ein Mensch. Deshalb weiß ich, daß es sehr, sehr schwer wird. Denn das Objekt ist ein fremder Raumkreuzer! Ein Zweifel ist ausgeschlossen.“
„Woher willst du das wissen?“ stieß ich überrascht hervor.
„Es verliert ein Gas, das bisher in keinem irdischen Raumschiff benutzt wurde. Weder als Atmosphäre – es wäre tödlich
– noch zu anderen Zwecken.“
„Was für ein Gas?“ fragte ich atemlos.
„Chlor.“
Diese Nachricht wühlte mich auf. Warum hatte er das ver-schwiegen? Weil Spinks dabei war? Chlor. Wenn sie das giftige, ätzende Zeug atmen, was mußten das für gespenstische Wesen sein? Oder war es ein Treibstoffzusatz, oder diente es als Ausgangsstoff zu irgendwelchen Synthesen, oder… Es gab Hunderte von Möglichkeiten. Man mußte nicht gleich an Chlor als Atemluft denken… Aber Bob hatte zweifellos recht. In keinem irdischen Raumkreuzer wurde jemals Chlor in solchen Mengen verwendet, daß sein Ausströmen auf diese gigantische Entfernung feststellbar wäre. Dieser Umstand, das Ausströmen eines giftigen Gases, lieferte die Gewißheit, daß es ein Fremdling war. Aber Chlor gehört zu den Gasen, die man besser unter Verschluß hält, wenn man es nicht atmen kann. Ka nn man es dagegen für den eigenen Stoffwechsel nutzbringend verwenden, läßt man es nicht einfach ins All entweichen! Das Raumschiff hat wahrscheinlich ein Leck. Eine Havarie bedeutet immer Gefahr für die Besatzung. Man muß den Schaden beheben und sucht sich daher einen Parkplatz, der frei von umherfliegendem Gestein und Materiewolken ist. Der
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