Alarm im Tunnel Transterra
Automatenpiloten Bob züchtete. Ich bin sinnlos, weil ich die Speicherblöcke eines Automaten brauche, um nicht als infantiles, gespenstisches Scheusal durch die Gassen unseres Ghettos zu schlurfen.
Ich kann nicht in der Sonne liegen und dem Gesang des Windes und dem Geschwätz der Meereswellen lauschen, denn als hilfloser Krüppel mit dem Verstand eines Kleinkindes fürchte ich mich vor dem Wasser und verstehe nicht die Sprache des Windes. Als Automatenpilot Bob jedoch analysiere ich thermische Wirbel und suche nach Phasenverschiebungen zwischen den vom Ufer reflektierten Wellen. Ich bin wie Dok-tor Jekyll und Mister Hyde. Mich erfüllen Abscheu und Furcht vor Bob, wie er ungelenk und beschränkt hinter seinem Herrn Spinks einherstolpert, und ich weiß nichts von alledem, wenn ich den Sensorhelm absetze.
Manchmal taucht eine Ahnung auf, eine Erinnerung. Und dann schäme ich mich. Aber unglücklich und zornig kann ich nur sein, wenn mein Gehirn sich der Speicher eines Automaten bedienen kann. Deshalb kämpfe ich, deshalb kämpfen wir Synthome und viele, viele Menschen gegen – die Synthome!
Wir kämpfen für unsere Abschaffung und für die Abschaffung derjenigen, die Synthome brauchen. Es darf keine Synthome mehr geben!“
„Wollt ihr euch selbst töten?“ fragte ich entgeistert und dumm.
Bob lächelte kraftlos und – wie mir schien – ein wenig enttäuscht. „Verstehst du nichts? Nicht um mich und die anderen dahinvegetierenden Synthome geht es. Es geht um die Unzähligen, die uns folgen sollen und die uns nicht folgen dürfen, um nichts in der Welt. Um die Ungeborenen, die nie geboren werden, wenn wir siegen. Und dafür müssen wir leben und kämpfen – und leiden.“
Seine Worte hatten mich zutiefst erschüttert, obwohl er ruhig und sachlich erzählt hatte. Ohne Pathos und Sentimentalität, wenn auch mit unverkennbarer Bitterkeit. Und mit schlichter Menschlichkeit. Nein, nein, Bob! Du bist unglücklich, verdammt, betrogen – aber du bist ein Mensch! Sagen konnte ich es ihm nicht. Jedes Wort erschien mir kalt und gleichgültig dem Verbrechen gegenüber, das an diesen Menschen – ja, Menschen! – verübt wurde. Ich schwieg, und ich glaubte, Bob verstand mein Schweigen besser als tausend Worte.
Spinks hatte Bobs Wink sehr wohl verstanden. Trotz seines Hasses auf die Liga der Neun begriff er sofort, daß er Bob nicht mehr anrühren durfte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Tatsächlich war er unfähig, den BOXER zu steuern, wie Bob mir erklärte. So abhängig hatten sich die Korenther von den Syntho men gemacht! Er meldete sich kleinlaut aus seiner Kabine und bat um die Erlaubnis, mit uns sprechen zu dürfen.
Bob blinzelte mir zu und erteilte sie ihm. Ich blinzelte zurück und sagte spöttisch: „Mal sehen, welches Stück der Maestro uns vorzuspielen gedenkt!“
Spinks hatte Zeit gehabt, sich eine Taktik zurechtzulegen.
Wir mußten ihn im Auge behalten. Es war fast komisch anzusehen, wie er neben Duck einhertrottete, der ihm nicht von der Seite wich. Die Rollen waren vertauscht. Spinks blieb in der Steuerzentrale stehen. Seine Haltung hatte nichts Herrisches mehr und auch nichts Trotziges. Aber Unterwürfigkeit oder Demut waren ebensowenig zu erkennen. Er stand nur da. Ein bißchen aufgeregt und durcheinander knapperte er am Zeigefingergelenk.
Bob zeigte sich als großmütiger Sieger. „Bitte, setzen Sie sich, Magister! Wir hören.“ Er blieb höflich und ruhig.
Der Korenther ließ sich in seinen Sessel fallen und warf mir einen verstohlenen Blick zu, den ich nicht erwiderte. Ich konnte diesen Menschen nicht mehr ansehen.
„Wie soll ich das sagen“, begann Spinks. „Ich habe wohl massig viel Mist gemacht. Hätte vorher fragen sollen, bevor ich…. na ja, Sie wissen schon.“ Er hatte mich angesprochen.
Krampfhaft vermied er es, in das zerschlagene Gesicht seines Piloten zu schauen, und redete nur mit mir. „Ich habe mir alles genau überlegt. Es ist richtig, ich kann Bob nicht anzeigen, dann bin ich auch fällig. Scheißgesetz! Also faires Spiel. Welche Sicherheiten geben Sie mir dafür, wenn ich Ihre Bedingungen akzeptiere?“
Ich schwieg. Sein Partner war Bob, sollte er ihn fragen. Als ich keine Anstalten unternahm, ihn eines Wortes zu würdigen, begann er, unruhig auf seinem Sessel hin und her zu rutschen.
Ich verstand nicht ganz, warum er mich fragte und nicht den Piloten. Aus Stolz oder aus Schuldbewußtsein? War es Arro-ganz gegenüber dem Synthom? Oder Scham wegen
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