Alarm in Der Tiefsee
versuchte?
Die Sowjets hatten ihr Ziel noch nicht erreicht, das wußte Marchant. Ihre geheimnisvolle Tätigkeit auf und in den Weltmeeren deutete auf ein Zukunftsziel hin, das nur unter großen Mühen zu erreichen war. Und die Russen waren praktisch veranlagt. Sie legten Wert auf greifbare Resultate und vergeudeten weder Zeit noch Energie, ohne einen guten Grund für ihre Tätigkeit zu haben.
Marchant wußte nicht, was sich hinter diesem Schleier aus ungenügenden und vielleicht auch falschen Informationen verbarg. Aber er kannte die Russen gut genug, um zu wissen, daß diese geheimnisvollen Seebeben und Flutwellen, diese U-Boote in zweitausend Faden, die unerklärlichen Sicherheitsmaßnahmen, die Berichte über Machtkämpfe hinter den Kremlmauern und die rätselhafte Zunahme ozeanographischer Schiffe nur eines bedeuten konnten: die Sowjets waren energisch hinter irgend etwas her.
Marchants sechster Sinn ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Das Problem beschäftigte ihn unaufhörlich, und je länger er darüber nachdachte, desto besorgter wurde er. Er kannte das internationale Intrigenspiel lange genug, um die wichtigste Regel zu beherrschen: Laß dich niemals von deinem Gegner in die Seile drängen. Wenn ihm das gelingt, kann er dich überraschend treffen, und du reagierst vielleicht erst zu spät.
Man muß die andere Seite ständig im Auge behalten. Man lächelt Iwan an, und er lächelt zurück, man tauscht Geigenvirtuosen und Wissenschaftler aus, man sitzt auf Friedenskonferenzen an einem Tisch und redet über Verträge – aber man traut den Kerlen trotzdem nicht und wird nie sorglos. Und wenn es Iwan gelingt, einen dichten Rauchschleier zu erzeugen, so daß er dahinter anstellen kann, was er will, ohne daß man etwas davon merkt, ist man in der gleichen Lage, als sei man unvorsichtig und arglos gewesen. Man kann nicht reagieren, man kann keine Abwehrmaßnahmen treffen, und er hat die Initiative in der Hand.
»Das soll unter Umständen tödlich sein«, murmelte Marchant vor sich hin.
Nun, er mußte irgend etwas veranlassen. Nummer eins auf seiner Liste waren die Tiefen der Weltmeere.
Marchant war sich darüber im klaren, daß es in diesem Fall nicht mehr genügte, alle zur Verfügung stehenden politischen und technischen Quellen auszuwerten. Diesmal mußten die Informationen aus dem Meer geholt werden. Aber nicht von kaum steuerbaren Bathyskaphen, die von jeder Unterwasserströmung abgetrieben wurden. Auch nicht von den besten Atom-U-Booten, die der Druck in großen Tiefen wie leere Konservendosen zerquetschen würde. Marchant dachte kurz an die Thresher ; er hatte einige gute Freunde verloren, als die Thresher ihre Besatzung mit in die Tiefe gerissen hatte. Nein, sie brauchten etwas Besseres etwas viel Besseres.
Steve Marchant sah nach links, wo Conan Dark neben ihm saß und die Wolkengebirge beobachtete. Wahrscheinlich geht er in die Luft, wenn wir seine kostbare Orca für unsere Zwecke einsetzen wollen, überlegte Marchant sich, aber das läßt sich nicht vermeiden. Wir brauchen dieses neuartige Boot, und wir brauchen den Mann, der es so hervorragend beherrscht. Wir haben nicht mehr genügend Zeit, einen anderen an seiner Stelle auszubilden. Con muß die Aufgabe übernehmen ...
Marchant hatte bereits die Mitglieder eines spezialisierten Teams ausgewählt, ohne die Betroffenen davon zu informieren. Dieses Team sollte ihm bei der Lösung des großen Problems behilflich sein. Con und er hatten schon lange nicht mehr zusammengearbeitet; der Mann an der Spitze des Projekts Orca war früher unter Marchants Kommando zur See gefahren. Sie waren zwei Jahre lang an Bord des gleichen U-Boots gewesen.
Und jetzt hatte Conan Dark sich dank seiner Intelligenz und seiner altmodischen Hartnäckigkeit an die Spitze eines Forschungsprogramms der Marine vorgearbeitet. Er und sein Team waren für die Konstruktion der Orca verantwortlich, die alles bisher Erreichte auf diesem Gebiet in den Schatten stellte.
Marchant nahm seine Aktentasche auf die Knie und öffnete den Verschluß. Er holte einen Aktenordner heraus, schlug ihn auf und las die Namensliste durch:
Conan Dark, Lawrence P. Owens, Hans Riedel, Raymond B. Matthia, Samuel Bronstein, Charles T. Harper, Derek Fuller, Robert A. Walters ...
Marchant schrieb einen weiteren Namen darunter – Georgi Rubinow. Die NASA mußte ihm Rubinow leihen; er war ihr Fachmann für alles, was die UdSSR betraf.
Am Ende der Liste stand ein weiterer Name: Jerri Stuart vom Crowellinstitut
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