Alarmstufe Rot
den Besuch seiner Physiotherapeutin so in Erregung geriet. Aber es war nicht die Behandlung, auf die er sich freute. Die Tatsache, dass er Brooke wieder sehen würde, entfachte seine Lebensgeister.
Seit zwei Wochen kam sie regelmäßig auf seine Farm und verhielt sich während der Sitzungen streng sachlich. Dennoch schätzte er Brooke Lewis von Mal zu Mal mehr - ihr lockeres Geplauder, ihr munteres Lachen, ihre Heiterkeit. Das alles setzte sie geschickt ein, um ihm sein schweres Los zu erleichtern. Sie besaß eine unglaubliche Gabe, ihn bei Laune zu halten, während sie ihn mit sanfter Gewalt zum Trainieren brachte. Er hatte nichts das Geringste gegen ihre Hartnäckigkeit, er mochte sie sogar. Bei jedem Besuche musste er gegen den Drang ankämpfen, Brooke privat näher kennen zu lernen. Doch er hielt sich zurück, denn er fürchtete, dass sie sonst nicht wiederkäme.
Er redete sich ins Gewissen. Er sollte sich zusammenreißen und hübsch die Finger von ihr lassen. Wenn er seinen Hormonen die Herrschaft überließe, wäre sie wie der Blitz aus seinem Leben verschwunden, mitsamt ihren begnadeten Händen.
Doch als es nun an der Tür klopfte, war er in Rekordzeit zur Stelle. Zwar konnte er sich mit seinem neuen Gehgips besser fortbewegen, aber zu einem Marathonlauf oder zur Jagd auf widerstrebende Frauen reichte es bei weitem noch nicht.
Brooke stand mit dem Rücken zu ihm auf der Veranda, als er die Tür öffnete; wahrscheinlich betrachtete sie den Sonnenuntergang. Die Strahlen zauberten Lichtsprenkel auf ihr Haar, das jetzt kupferrote Töne zeigte, die er noch nie bemerkt hatte. Er hatte jedoch eine Reihe andere Dinge an ihr bemerkt, seit sie ihre Hausbesuche in lässiger Kleidung machte. Heute trug sie ausgeblichene Jeans und ein weites Flanellhemd, das ihren Po fast völlig bedeckte. Als sie sich umdrehte, stellte er fest, dass das Hemd offen stand und ein weißes Strick-Top sehen ließ, ähnlich dem, das sie beim ersten Mal unter dem schrecklichen Kittel getragen hatte. Es umschloss ihre Brüste wie eine zweite Haut.
„Hi. Was für ein schöner Abend”, sagte sie.
„Ja, es ist ziemlich warm.” Oder lag es an ihrer Gegenwart, dass ihm der Herbstabend ungewöhnlich schwül vorkam? Er humpelte zu ihr hinaus auf die Veranda und widerstand dem Verlangen, mit der gesunden Hand durch die ungebändigte Fülle die ser seidigen Locken zu fahren.
„Wo ist Ihre Krücke?” fragte sie.
„Die brauche ich nicht mehr.”
Sie blickte auf sein Bein. „Aha, ein Gehgips. Das ist ja schon viel besser.”
„Oh ja.” Er hob die Hand. „Und dies auch.” Er konzentrierte sich auf seine steifen Finger und beugte sie ein Stück. Eine Faust war es nicht, aber nicht weit davon entfernt, bis auf den Zeige finger, der offenbar nicht richtig heilen wollte.
Sie applaudierte und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Ausgezeichnet, Dr. Granger.
Ich sehe, Sie sind brav gewesen.”
Im Moment fühlte er sich überhaupt nicht brav. Er verspürte den starken Impuls, sie in die Arme zu nehmen, einerseits aus Dankbarkeit, aber mehr noch, um sie zu berühren. Er beherrschte sich, ließ die Hand sinken und schob die andere in die Tasche. „Ich habe mich angestrengt, wie Sie befohlen hatten. Und ich finde, das sollten wir feiern.”
Ihr Lächeln schwand, sie zog die Stirn kraus. „An was dachten Sie da so?”
„Wie wär’s mit einem Spaziergang, bevor es dunkel wird?”
„Und die Behandlung?”
„Das machen wir, sobald wir zurück sind. Es wird keine Wanderung, ich kenne meine Grenzen.” Er pochte mit dem Gips auf die Holzdielen. „Es sei denn, Sie haben heute Abend noch etwas vor.” Falls nicht, würde er meilenweit mit ihr laufen.
„Nein, ich habe nichts vor. Aber meinen Sie nicht, es wäre besser, wir …”
„Bitte, Brooke. Ein kleiner Bummel den Pfad hinunter.” Er wies auf eine Gruppe Eichen wenige Meter entfernt. „Nur bis dorthin.”
Sie schaute über die Schulter zu der bezeichneten Stelle.
„Okay, einverstanden. Ich glaube, ein bisschen Bewegung wird mir gut tun.”
Er lächelte zufrieden. „Es wird uns beiden gut tun.”
Während er langsam die Stufen hinunterhüpfte, wartete Brooke unten geduldig. Sie bot ihm nicht die Hand, um ihn zu stützen, was ihm einerseits gefiel, andererseits wünschte er, sie täte es. Er empfand das heftige Bedürfnis, ihre Hände zu spüren. Aber das würde ja bald erfüllt werden, zumindest während der Therapiesitzung. Er musste sich eben mit den wenigen Kontakten
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