Alasea 01 - Das Buch des Feuers
nach vorn, und sein Pferd folgte ihm auf einen gepfiffenen Befehl hin. Rasch schleuderte er den Kopf in Richtung des vorderen Skal’tums, und dieses sprang so weit zurück, dass Kral seine Axt ergreifen konnte.
Er fuhr mit der Axtklinge durch das zähe Blut, das in Fetzen von dem abgetrennten Hals in seiner Hand hing. »Blut von euresgleichen, auf eine Klinge geschmiert, macht euren dunklen Schutz wirkungslos.« Er hob die Klinge und betete innerlich, dass sein Trick gelingen möge. »Ich brauche die Sonne nicht, um euch umzubringen!«
Seine Worte erschütterten die Skal’ten. Der Erschöpfung nahe, war keines der Ungeheuer willens, seine Behauptung auf die Probe zu stellen. Er stieg auf sein Pferd und lenkte es mit Hilfe der Knie zur Seite. Jetzt standen beide Skal’ten unmittelbar vor ihm.
»Wir werden dich töten, kleiner Mann. Nimm unssere Worte zur Kenntniss. Wenn die Kunde von deinen Taten unsseren Sstamm erreicht, wirsst du mitssamt allen deinessgleichen Fleisch zwischen unsseren Zähnen ssein.«
»Wir sind bereit, es mit euch aufzunehmen! Euer Blut wird wie Flüsse unsere Berge hinabströmen«, versicherte er den Geschöpfen, wobei er sein Pferd wendete und Rorschaff ein Zeichen gab, sich in der schnellsten Gangart fortzubewegen. Angst feuerte Rorschaff an, und seine eisenbeschlagene Hufe donnerten über den kalten Boden. Bäume flogen zu beiden Seiten vorbei. Unter einem Geflecht aus Ästen, die den Himmel über ihm gegen einen geflügelten Angriff abschirmten, gestattete sich Kral, wieder zu atmen.
Während er und Rorschaff durch die Winternacht preschten, rumpelten über ihnen Donnerschläge. Gleich würde ein Unwetter über sie hereinbrechen. Kral sah, wie Blitze am schwarz bewölkten Himmel zuckten, während zwei Gefühle in seinem Herzen gegeneinander ankämpften: Erleichterung, dass er mit dem Leben davongekommen war, und Scham wegen seiner Handlungsweise. Er trieb Rorschaff mit den Fersen zu einem noch schnelleren Galopp an, als ob er von seiner unedlen Tat davonrennen könnte. Schaum trat auf Rorschaffs Lippen, doch er gehorchte seinem Herrn und jagte durch den Wald.
Nicht die Tatsache, dass er seine Gefährten in der Kate zurückgelassen hatte, lastete schwer wie ein Stein in seiner Brust. Obwohl er sie dem Ungeheuer überlassen hatte, wusste er im Grunde seines Herzens, dass er alles getan hatte, um für sie Zeit zu gewinnen, damit sie dem Keller entfliehen und sich in Sicherheit bringen konnten. Er hatte sein Bestes gegeben und dabei sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt.
Nein, was seinem Herzen Schmerzen bereitete und ihm die Kehle zuschnürte, war der Umstand, dass er gelogen, die Unwahrheit gesprochen hatte! Und das aus keinem anderen Grund, als um die eigene verachtenswürdige Haut zu retten!
Er riss an Rorschaffs Zügeln. Das Pferd bäumte sich mit wildem Blick auf, Schaum flog ihm aus dem Maul, und es blieb unvermittelt stehen. Plötzlich krachten Blitz und Donner über Kral, als ob der Himmel nach seinem lügenden Herzen schrie. Ein eiskalter Regen setzte ein, prasselte zwischen den Tannen hindurch und peitschte sein nach oben gewandtes Gesicht.
Kein Mann seines Stammes hatte jemals zu einer Lüge Zuflucht genommen, um sich aus einer bedrohlichen Lage zu retten. Mit einem Spucken seiner üblen Zunge hatte Kral das Feuer seines Stamms gelöscht. Nach dieser verabscheuungswürdigen Tat könnte er niemals in seine Bergheimat zurückkehren.
Als ein Mann, der für immer verloren war, heulte Kral ins Antlitz des Regens.
24
Elena klammerte sich an das Wams des Schwertkämpfers; beide waren umgeben vom Zischen der Kobolde. Während der letzten paar Tage hatte sie zu viele Schrecknisse erlebt. Sie vergrub das Gesicht in Er’rils Lederwams. Ein fernes Donnern hallte von oben wider und brachte das Zischen zum Verstummen, allerdings nicht für lange. Als das Rumpeln allmählich abebbte, nahm das bedrohliche Geräusch an Lautstärke wieder zu und stach ihr in die Ohren. Sie spähte zurück in den Gang hinter ihnen. Glitten da dunklere Schatten auf sie zu?
Onkel Bol sprach hinter ihr. »Ich rieche Regen am Ende dieses Korridors.«
Sie drehte sich zu ihrem Onkel um.
Er starrte in einen Gang, der nach links abbog. »Und mir kommt es auch so vor, als sei das Zischen in dieser Richtung leiser.«
»Dann lass uns gehen«, schlug Er’ril vor.
Elena, die das Ohr an Er’rils Brust gedrückt hatte, hörte dessen Herzschlag in dem kräftigen Brustkorb. Sie konzentrierte sich
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