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Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Titel: Alasea 01 - Das Buch des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Feuers
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nicht bewusst wäre, sondern nur der Schmerz. Sein Gesicht, unschuldig und verloren, suchte den Himmel nach einer Erlösung von der Qual ab. Seine Augen waren weit aufgerissen und flehten um eine Antwort auf die Frage, warum dies hatte geschehen müssen.
    Elena merkte, wie auch ihr Tränen in die Augen stiegen, während sie das Gesicht des Jungen betrachtete. Eine Eingebung gebot ihr, das Kind zu trösten, sein Leiden zu lindern. Aber ihr Verstand sagte: Es ist nur eine Statue. Der hier dargestellte Schmerz gehörte einer lange vergangenen Zeit an, nur die bildhauerische Arbeit war so kunstvoll, dass die Todesqual aus der Vergangenheit herüberreichte und ihr ans Herz griff.
    »Es ist eine Schande, dass die Statue beschädigt ist«, sagte ihr Onkel in scharfem Ton; als Gelehrter in alter Geschichte hatte es ihm schon immer missfallen, wenn antike Stücke beschädigt waren. Er streckte mit finsterer Miene die Hand aus. »Einer der Kobolde muss etwas abgebrochen haben, als er sie hierher geschleppt hat.«
    Zunächst konnte sich Elena keinen Reim darauf machen, was ihr Onkel meinte. Doch dann fiel ihr auf, dass dem linken Arm des Jungen, der zur Decke der Kammer erhoben war, die Hand fehlte, als ob sie mit einer Axt abgehackt worden wäre. Wie seltsam, dass ihr das nicht gleich aufgefallen war! Doch als sie das Stück weiterhin eingehend betrachtete, hatte sie das Gefühl, dass ihr Onkel sich irrte. Die Statue war nicht beschädigt, sondern unvollendet - wie ein trauriges Lied, das einige Takte vor dem Schluss abbricht, sodass das Ohr vergeblich auf das Ende wartet.
    Ihr Onkel hatte sich inzwischen wieder Er’ril zugewandt. Onkel Bols Miene wirkte streng, sein Mund hart wie Eisen, und seine Wangen waren gestrafft vor Entschlossenheit. »Genug dieses Unsinns, Standi! Was bekümmert dich so sehr an einem Stück bearbeitetem Kristall?«
    Er’ril schwieg, seine Schultern waren vor Kummer nach vorn gesunken. Als er schließlich sprach, klang seine Stimme leise. »Dies ist ein Zeugnis meiner Schande«, murmelte er, »meine in Form gebrachte Schande.«
     
    Als Er’ril den Kopf senkte, wusste er im Herzen, dass Bols Worte der Wahrheit entsprachen. Die Kobolde hatten ihn und seine Gefährten nicht wegen des Mädchens hierher getrieben, sondern seinetwegen. Irgendwie wussten die Felskobolde von seiner Schande und wollten sie ihm an diesem Ort vor Augen führen.
    Wenn die Geschöpfe auf diesen Triumph aus waren, dann sollten sie haben, was sie verlangten. Wohl wissend, dass er sich ohnehin vor der Wahrheit nicht verstecken konnte, hob er schließlich die Augen wieder und sah die Statue an. Das Gesicht des Jungen, dessen Züge so kunstvoll in allen Einzelheiten ausgearbeitet waren, loderte in hellem Licht, und in Er’rils Geist flammte die Erinnerung auf. Er konnte dieses Gesicht niemals vergessen - und sollte es auch niemals vergessen. In einem ganz kleinen Maß konnte er das Opfer des Jungen wenigstens dadurch ehren, dass er ihn nie vergaß.
    Während sein Blick auf dem kleinen erhobenen Gesicht ruhte, erinnerte er sich an den Raum in dem Wirtshaus und an die Nacht, in der das Buch geschaffen worden war. So vieles aus dieser Nacht war in den vergangenen paar Tagen zu ihm zurückgekehrt. Zunächst war Greschym auf einer Straße wieder erschienen, schwarz vor dunkler Magik. Und jetzt dies: eine Skulptur des Magikerjungen, der auf der Spitze von Er’rils Schwert geopfert worden war, damit das Buch sein Blut erhalten konnte. Die Spieler jener schicksalsschweren Nacht wurden wieder zusammengerufen.
    Das Geheimnis, warum all dies geschah und warum er in diese Kammer gelockt worden war, durchstieß plötzlich die schmerzliche Schande in seinem Herzen. Er straffte sich. Nachdem der Anblick der Statue ihn zutiefst erschüttert und die alte Wunde aufgerührt hatte, bildete sich jetzt Zorn in seiner Brust und drängte das pochende Schuldgefühl zurück. Wer immer diese Statue geschaffen haben mochte, hätte ihm viele Fragen zu beantworten - und Er’ril war entschlossen, derjenige zu sein, der diese Antworten aus ihm herausquetschen würde.
    Bol ergriff das Wort, als Er’ril in die Kammer trat. »Heraus mit der Sprache, Mann! Was ist los?«
    Er’ril nickte in Richtung der Statue. »Das ist der junge Magiker, den ich in jener Nacht, als das Buch geschaffen wurde, getötet habe.« Er sah, wie sich Bols Augen bei diesen Worten weiteten, und selbst das Mädchen wich ein wenig von ihm zurück; doch diesmal senkte er den Blick nicht.

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