Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Seine Stimme blieb standhaft. »Ich weiß nicht, welches Spiel hier gespielt wird. Aber ich bin entschlossen, es zu beenden.«
Er’ril ging näher zu der Statue. Während seines Näherkommens schien sich der Schmerz im gemeißelten Gesicht des Jungen zu verstärken, als ob die Statue ihn erkennen und sich vor einer erneuten Begegnung mit ihm fürchten würde. Nur eine Täuschung durch das Licht, dachte er. Er streckte einen Finger aus und berührte die harte Kristalloberfläche. Einen Augenblick lang erwartete er, dass sie ihn verbrennen oder ihm sonstigen Schaden zufügen würde, als Vergeltung für sein einstiges Verbrechen, doch der Stein war lediglich kühl und glatt und ein wenig feucht von dem Tau aus der nassen Höhlenluft.
Er’ril strich dem Jungen unwillkürlich über die Wange. Er hatte vergessen, wie jung das Büblein war. Und wie klein. Er’ril überragte die kniende Statue um einiges. Gewiss hatte das Kind dieses Schicksal nicht verdient. Er’ril rang nach Worten, weil er um Vergebung bitten wollte, aber er hatte den Namen des Jungen nie erfahren.
»Es musste getan werden«, sagte Bol leise hinter ihm. »Ich habe die alten Texte gelesen. Unschuldiges Blut musste vergossen werden.«
»Aber warum ausgerechnet durch mich?«
»Wir alle haben im Leben unsere Last zu tragen: meine Schwester Fila, Elena, der Junge. Wir leben in einer finsteren Zeit, und wenn wir um eine zukünftige Morgendämmerung beten, müssen wir auf die Knie fallen, wie müde unsere Knochen oder wie wund unsere Gelenke auch sein mögen.«
»Ich habe genug vom Beten. Wer hört denn schon zu?« Er’ril legte die flache Hand auf das angstvoll erhobene Gesicht des Jungen. »Wer erhört diesen Jungen?«
»Der Pfad, den du beschritten hast, war voller Seelenschmerz und Kummer, und ich will nicht behaupten, dass du es dort, wo du als Nächstes wandeln wirst, leichter haben wirst. Ich kann dir nur das eine sagen - es ist der eine Weg, der alles wettmachen wird, was du getan hast, eine Rechtfertigung aller Opfer, die gefordert wurden. Verlier nicht dein Herz, Er’ril von Standi.«
Er’rils Hand glitt vom Gesicht des Jungen. »Es ist zu spät. Mein Herz ist schon lange verloren.«
»Nein.« Bol streckte die Hand aus und drückte Er’rils Schulter. »Vielleicht versteckt es sich, hat sich im Laufe hunderter von Wintern verhärtet, aber ich wette, auf diesem Pfad wirst du dein Herz wieder finden.«
Er’ril verzog das Gesicht. Er hatte kein Verlangen danach, sein Herz wieder zu finden. Das würde einen Schmerz bedeuten, den er nicht ertragen wollte.
Elenas dünne Stimme ertönte plötzlich aufgeregt. »Hört nur!«
Er’ril hob den Kopf. Ein vertrautes Geräusch drang wieder bis zu ihnen - ein Zischen.
Kobolde näherten sich. Er’ril spähte in Richtung des Tunnels. Kein Anzeichen von den Kobolden. Er ließ den Blick durch die Kammer schweifen. Es gab noch einen anderen Tunnel, der in die Kammer mündete, und auch von dort ertönte das scharfe Zischen von Kobolden.
»Wir sitzen in der Klemme«, sagte Bol.
»Hier sind wir einem Angriff offen ausgeliefert«, gab Er’ril zu bedenken. »Die besten Aussichten haben wir in einem der Tunnel.«
Bol wandte sich an Er’ril. »Wir wären ihnen im Kampf hoffnungslos unterlegen. Wir besitzen nicht einmal eine Waffe. Sie haben uns aus einem bestimmten Grund hierher getrieben, aber bestimmt nicht, um uns umzubringen. Das hätten sie jederzeit und überall tun können.«
Er’ril entfernte sich von Bols Seite und trat wieder zu der Statue. »Ich traue der Logik eines Felskobolds nicht. Ich weiß nur, dass wir unbedingt eine Waffe brauchen.« Er huschte hinter die Statue, beugte sich vor, packte den Knauf des silbernen Schwerts und zog daran. Einen Augenblick lang blieb es noch verhaftet in dem bearbeiteten Kristall, und Er’ril fürchtete, seine Kraft könnte womöglich nicht ausreichen, um es herauszuziehen, doch als seine Muskeln sich noch mehr spannten, löste sich das Schwert, als ob eine Geisterhand einfach losgelassen hätte.
Er’ril taumelte nach hinten, das Schwert in der Hand. Nachdem er das Gleichgewicht wiedererlangt hatte, hob er die Waffe. Die lange Klinge glänzte so hell, dass das Silber aus purer Herrlichkeit geschmiedet zu sein schien. »Jetzt kämpfen wir. Genug der schleichenden Schatten und des drohenden Zischens!«
»Das wird nicht nötig sein.« Die Stimme kam von hinten.
Er’ril fuhr herum, sein Schwert schnitt durch die Luft, und die Spitze deutete auf den
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