Alasea 01 - Das Buch des Feuers
sind.« Er betrachtete sehnsuchtsvoll den Rückweg zur Oberfläche, dann wieder den Tunnel. Seine Fantasie konnte schlimmere Dinge als die Ungeheuer dort oben heraufbeschwören.
Rockenheim stand lauschend an der Öffnung. »Ich glaube, jetzt höre ich es auch.«
Mogwied wich einen weiteren Schritt zurück.
»Ich habe soeben eine Stimme gehört.«
Ungeheuer hatten selten eine Stimme. Zumindest nicht in Mogwieds Vorstellung. Rockenheims Worte veranlassten ihn, sich erneut ein wenig vorzuwagen. Er verdrängte die Erinnerung an Ferndals Heulen und lauschte. Dann hörte er es auch. Fetzen einer Unterhaltung hallten von unten herauf, zu weit weg, als dass Genaueres zu verstehen war, jedoch so deutlich, dass er die Laute als die allgemeine Sprache erkennen konnte. Es handelte sich also um kein Fleisch zerfetzendes Ungeheuer. Mogwieds Herz klopfte schneller. Wären sie mehr als zwei, nähme ihre Kraft zu; gemeinsam mit anderen hätte er bessere Aussichten, diese Nacht zu überleben.
Plötzlich klang schallendes Gelächter von unten herauf. Rockenheim und Mogwied sahen sich an. Bei diesem Geräusch wallte Erleichterung in Mogwied auf. Ein solch überschwänglicher Heiterkeitsausbruch war eine Wohltat in diesen dunklen Tunneln. Doch Rockenheims Augenbrauen hoben sich warnend, und Mogwieds Herz krampfte sich zusammen.
»Ich kenne dieses Lachen«, sagte Rockenheim säuerlich, »dieses Steine zermahlende Blöken. Ich hatte gehofft, die Unholde des Tunnels hätten sich an Kral gütlich getan und seine Knochen inzwischen ausgespuckt. Offenbar haben die Kreaturen einen entschieden feineren Gaumen, als ich annahm.«
»Er ist kräftig«, hielt Mogwied dagegen. Er erinnerte sich an den riesigen, bärtigen Mann und an den Umfang seiner Arme. »Und er besitzt eine Axt.«
»Pscht!« Rockenheim zwang ihn mit einem Blick zum Schweigen und horchte weiterhin auf den Widerhall der Stimmen.
Mogwied hörte jemanden sprechen. Je näher die Wanderer ihnen kamen, desto deutlicher waren ihre Worte zu unterscheiden. Sein scharfes Gehör vernahm sogar die Erschöpfung und Verblüffung in der Stimme des Sprechenden. »Du behauptest also, dass Elena von dem König dieses Merik abstammt.«
Auch Rockenheim hatte offenbar feine Nuancen in den Worten des Sprechenden vernommen. »Das ist Er’ril!« zischte er. »Welch unseliges Zusammentreffen!«
»Ist er auch ein Krieger?« flüsterte Mogwied, dessen Herz vor Hoffnung sang. Er stellte sich zwei Männer von der Größe Krals vor - und sich selbst, der sich hinter ihren breiten Rücken versteckte.
»Er bewacht das Dämonenkind«, erklärte Rockenheim. Seine Augen funkelten im Licht der Fackel.
Zunächst wusste Mogwied nicht, wen er meinte. Dann dämmerte es ihm. »Sprichst du von dem Mädchen, das die geflügelten Ungeheuer suchen? Die Kleine, für deren Gefangennahme uns dein König viele Geschenke bescheren wird?«
Von unten klang die Stimme eines Mädchens herauf. »Ich glaube, ich sehe da vorn ein Licht! Schaut nur!«
Rockenheim sprang mit einem Satz zurück und zog Mogwied mit sich. »Das ist sie!« raunte er voller Entzücken.
»Was tun wir jetzt?«
Rockenheims Stirn furchte sich, während sein Geist an der Lösung des Rätsels arbeitete. Als er sprach, klang er überzeugt. Ein Lächeln ohne Wärme umspielte seine Lippen. »Halt den Mund über das, was da oben ist. Überlass mir das Reden. Nur darum bitte ich dich. Tu es, dann wirst du reich belohnt.«
Mogwieds Augen leuchteten bei der Vorstellung von unermesslichen Reichtümern. Mit flammendem Blick betrachtete er seinen Körper. Von dieser Gestalt befreit zu sein, wöge alles Gold der Welt auf. Er befeuchtete sich mit der Zunge die trockenen Lippen. Und wenn er sich hier recht ordentlich anstellte, mochte seine Belohnung unvorstellbar hoch sein. Vielleicht konnte er die verfluchte Erstarrung seines Körpers brechen und das Gold trotzdem behalten. Er hob den Blick wieder zu Rockenheim. »Was soll ich tun?«
Rockenheim beugte sich zu seinem Ohr und flüsterte etwas hinein, woraufhin Mogwied nickte. Es war wirklich ganz einfach - und das bei einer so üppigen Belohnung.
Elena folgte dem höckerigen Rücken des Og’ers durch den steilen Tunnel. Dicht hinter ihr unterstützte Bol den humpelnden Er’ril, während Kral sie nach hinten gegen einen erneuten Angriff der Felskobolde absicherte. Neben ihr marschierte wie ein dürrer Schatten der Mann namens Merik. Sie wusste nicht, was seine Behauptung bezüglich ihrer Abstammung
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