Alasea 01 - Das Buch des Feuers
keiner Wimper, als der einarmige Schwertkämpfer auf sie zustolperte.
»Es tut mir Leid«, sagte er und legte ihr die Hand auf die Schulter. In seinen nächsten Worten flammte mühsam unterdrückter Zorn auf. »Ich habe die Kraft des Ungeheuers unterschätzt. Aber fürchte dich nicht. Ich werde es zur Strecke bringen und deinen Bruder befreien.«
Die zierliche Frau, die Elena zuvor in Sicherheit gezogen hatte, gesellte sich zu ihnen. »Er’ril, wer war der Kerl in dem Umhang? Hast du ihn erkannt?«
»Jemand aus meiner Vergangenheit«, murmelte er. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn jemals wiedersähe.«
»Wer?«
»Das tut jetzt nichts zur Sache. Die Stadtbewohner sind aufgebracht. Es wäre am besten, wenn wir dieses verfluchte Tal so schnell wie möglich verlassen würden.« Um sie herum erwachte die Stadt nach dem dämonischen Überfall allmählich wieder aus der Erstarrung. Rufe nach Waffen schallten aus den benachbarten Straßen herüber.
»Was wird mit dem Mädchen?« fragte die Frau.
Elena starrte immer noch ins Leere. Mit schlaffen Lippen flüsterte sie: »Mein Bruder…«
»Wir bringen sie in Sicherheit«, erklärte Er’ril. »Dann will ich Nachforschungen anstellen und herausfinden, was aus dem Magiker und dem Jungen geworden ist.«
Der riesige Mann aus den Bergen kam heran und trat vor Elena; damit war ihr die Sicht auf die Stelle verdeckt, wo Joach gestanden hatte; die letzte schwache Verbindung zwischen ihnen war durchtrennt. Schwärze trat an die Ränder ihres Sichtfeldes. Sie sank auf die Pflastersteine der Straße nieder. Der starke Arm des Schwertkämpfers fing sie auf, bevor ihr Kopf am Boden aufschlug.
»Er’ril, der Kleinen gehen die Ereignisse hier schrecklich zu Herzen«, sagte die Frau. »Wir müssen sie an einen geschützten Ort bringen, weg von hier.«
Er’ril sprach nahe an Elenas Ohr, sie spürte seinen Atemhauch im Nacken, da er sie unter den Schultern gefasst hielt. »Ni’lahn, du musst herausfinden, ob sie außer ihrem Bruder noch irgendwo Familie hat.«
Das Wort ›Familie‹ durchdrang die Schwärze um Elenas Herz. Ihr innerer Blick ruhte auf den zerfetzten Überresten von Tante Fila, die wie Lumpen in eine dunkle Ecke geschleudert worden waren. Die in ihrer Brust eingefrorenen Tränen schmolzen, stiegen ihr in die Augen und begannen zu fließen. Ihr Atem löste sich zu Schluchzern auf. Elena dachte an die letzten Worte ihrer Tante. Mit großer Mühe wandte sie das Gesicht dem Schwertkämpfer zu. »Ich… habe einen Onkel. Sie hat gesagt… ich soll zu ihm gehen.«
Die Frau kniete neben ihr nieder. »Wer hat dir das gesagt, Kind?«
»Wo ist dein Onkel?« fragte Er’ril dazwischen.
Elena zwang sich, die Hand auszustrecken und nach Norden zu deuten.
»Kannst du uns dorthin führen?«
Sie nickte.
Plötzlich brummte eine tiefe Stimme ganz in der Nähe: »Seht nur, was ich gefunden habe!«
Elena und Er’ril wandten sich um. Elena sah, dass der Mann aus den Bergen hinter ein Regenfass griff und einen dürren Mann hervorzerrte, der in eine schmutzige Uniform der Stadtgarnison gekleidet war.
»Wer ist denn das?«
Elena wusste die Antwort auf die Frage des Schwertkämpfers. Sie hatte das verkniffene Gesicht mit dem wie gedrechselt aussehenden Schnurrbart und den schwarzen Augen schon einmal gesehen. »Er hat meine Familie g-g-getötet! Er war mit dem Alten zusammen.«
Es war der Kerl mit dem Namen Rockenheim.
Er’ril sah zu, wie der Blick des zitternden Mannes nach rechts und links schoss, auf der Suche nach Hilfe oder einem Fluchtweg. Doch Kral hatte den Umhang des Mannes mit steinerner Faust umklammert. In der anderen Hand hielt er eine Axt. Er’ril erkannte den dünnen Mann, der mit dem Dunkelmagiker gesprochen hatte. »Wer bist du?« verlangte Er’ril zu wissen.
»Ich bin… das Oberhaupt der grafschaftlichen Garnison.« Rockenheim versuchte, seiner Stimme einen bedrohlichen Klang zu geben, doch seine Worte waren brüchig vor Angst. Seine Augen schweiften immer wieder zu dem geköpften Kadaver des Ungeheuers hinüber, das erschlagen neben dem Mann aus den Bergen lag. »Ihr tätet gut daran, mich loszulassen.«
»Das Mädchen behauptet, dass du mit dem Dunkelmagiker im Bunde stehst. Stimmt das?«
»Nein. Sie lügt.«
Er’ril nickte dem Mann aus den Bergen zu. Es gab eine Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt der Worte dieses Kerls zu überprüfen. »Stell ihn auf die Probe.«
Kral lehnte die Axt gegen das Regenfass. Er streckte die Hände aus und
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