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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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dargebotene Hand mit einem schüchternen Lächeln. Seine Handfläche war kalt und schleimig von Schmutz. Bei der Berührung lief ihr ein Schauder über die Beine. Es war, als ob sie einen toten Fisch angefasst hätte.
    Doch seine Augen, die sie hell anstrahlten, entwaffneten sie. »Ich hab keine Mami und keinen Papi«, erklärte er, und in seiner Stimme schwang ein leises Kichern mit, als ob ihn ein solcher Gedanke erheiterte.
    Ihr Herz fühlte mit dem kleinen Kerl. So klein und schon Waise; wahrscheinlich erinnerte er sich gar nicht an seine Eltern. Ein Anflug von Ärger keimte in ihrer Brust. Waise oder nicht, wie konnten diejenigen, die sich um ihn kümmerten, ihn so vernachlässigen? »Also dann: Wo wohnst du?«
    »Wohnen?« Er kratzte sich mit den schmutzigen Fingern das fettige Haar.
    »Woher kommst du?« wiederholte sie mit anderen Worten.
    Bei dieser Frage leuchtete sein Gesicht auf. »Oh, ich komme nicht von hier.«
    Sie seufzte. Natürlich musste das Kind in Schattenbach wohnen. Ein nacktes dreijähriges Kind konnte nicht einfach allein in diese Stadt gewandert sein.
    »Wer ist bei dir?« versuchte sie es erneut. Irgendjemand musste doch für ihn verantwortlich sein.
    »Ich hab Hunger«, sagte er; offensichtlich langweilte ihn das Thema.
    Traurig lächelnd, führte sie ihn zur Rückseite des Wagens. »Ich glaube, ich habe von heute Morgen noch ein paar Plätzchen übrig.«
    Bei ihrem Vorschlag rümpfte er die Nase.
    Diese Reaktion überraschte sie. Welches Kind mochte keine Plätzchen? »Also, auf was hast du denn Hunger? Wir haben etwas Trockenfleisch und Brot.«
    Er blieb plötzlich stehen und zerrte mit erstaunlicher Kraft an ihr, sodass sie ebenfalls innehalten musste. Seine Stimme klang jetzt lüstern, ganz und gar nicht wie die eines Kindes. »Ich brauche deine Magik«, sagte er gierig.
    Bei diesen Worten stockte ihr vor Schreck der Atem, doch sie konnte ihre Hand seinem Griff nicht entziehen. Der Junge blickte immer noch mit dem klaren Gesicht eines Kindes zu ihr auf, aber in seinen Augen lauerte etwas sehr Unkindliches, ein uraltes Begehren.
    Eine andere, barschere Stimme ertönte hinter ihr und entlockte ihr ein Japsen, während sie sich blitzschnell umdrehte, um der neuerlichen Gefahr entgegenzusehen.
    »Gute Vorstellung heute.« Es war Er’ril. Der Präriemann schob sich durch den Vorhang zu ihr, die falsche Augenbinde in der Hand.
    »Er’ril!« rief sie aus.
    Als er das Entsetzen in ihrer Stimme hörte, war er sofort neben ihr.
    »Was ist los?« Seine grauen Augen funkelten vor wilder Entschlossenheit; er hielt bereits eines seiner Wurfmesser in der Hand. Sein Blick schweifte über den freien Platz zwischen dem Vorhang und dem Lagerschuppen.
    Elena blieb stumm. Sie starrte auf die Stelle hinab, wo gerade noch der Junge gestanden hatte. Er war weg, aber kalte Finger hielten sie weiterhin fest. Das waren keine Kinderhände: In ihrem Griff war ein klebriger Batzen nasses Moos. Schmierige Strähnen und raue Ranken waren fest um ihre Hand gewickelt.
    »Was ist los?« wiederholte Er’ril; er senkte die Klinge ein wenig, und sein Blick heftete sich auf sie.
    Sie hielt ihm die Faust mit dem moosigen Zeug hin. »Ich … ich weiß nicht.«
     
    Tol’chuk kauerte in dem Käfig; seine Beine schmerzten ob der verkrampften und eingezwängten Haltung. Der Vorhang, der um den Käfig herum drapiert war, versperrte ihm die Sicht nach draußen, doch er hörte Meriks Stimme auf der Bühne. Der Elv’e war kurz vor dem Ende seiner Nummer, und bald würde die heutige Vorstellung vorbei sein.
    Er richtete die beiden Bockshörner auf seinem Kopf auf, da er den nächsten Schwung neugieriger Stadtbewohner erwartete, die es sich ein Kupferstück kosten lassen würden, das ›Ungeheuer‹ zu besichtigen. Seit drei Monaten schon spielte er bei dieser Farce mit, grunzte und zischte zur Erheiterung der Kundschaft, doch seine dramatischsten Versuche, Schrecken zu verbreiten, resultierten meist in Gelächter, besonders wenn die Bockshörner abfielen. Niemand hielt ihn für einen echten Og’er. Aber andererseits war er ja auch kein ganz echter Og’er, da die Hälfte seines Blutes seinem si’luranischen Erbe entstammte. Seufzend bearbeitete er seinen Wadenmuskel mit seiner krallenbewehrten Hand.
    Kral, der angebliche Wächter, raunte ihm durch den Vorhang zu: »Da kommt jemand. Halte dich bereit.« Die Stimme des Gebirglers wurde lauter, als der potenzielle Kunde näher kam. »Kommen Sie! Schauen Sie! Sehen Sie das

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