Alasea 03 - Das Buch der Rache
tiefe Stimme hinter ihr.
Elena drehte sich um und entdeckte Tol’chuk, der an der Schiffsreling stand. Er lächelte verlegen, wobei seine gelblichen Fangzähne in der Sonne glitzerten. Elena ging zu ihm und umarmte ihn fest. »Danke, dass du dein Leben für mich riskiert hast.«
Als er sich aus der Umarmung gelöst hatte, klopfte Tol’chuk auf den Beutel an seinem Oberschenkel. »Der Stein hätte mir ohnehin keine andere Wahl gelassen. Außerdem stellen ein paar Flammen für die dicke Haut eines Og’ers keine echte Gefahr dar.«
Sie drückte seinen Arm. »Trotzdem, vielen Dank«, sagte sie und lächelte über seine Bescheidenheit. Dann sah sie sich auf dem Deck um. »Wo ist Mikela?«
Tol’chuks Gesichtszüge verfinsterten sich sorgenvoll. »Sie ist gegangen.«
Elenas Herz zog sich zusammen. Noch einen Verlust konnte sie nicht ertragen. »Ist sie… ist sie tot?«
Tol’chuk berührte entschuldigend Elenas Arm und klärte das Missverständnis auf. »Manchmal bin ich ganz verwirrt. Mikela geht es natürlich gut. Sie und Kral sind zusammen mit den Gestaltwandlern auf dem Weg nach Norden, um die Armeen des Herrn der Dunklen Mächte aufzuhalten. Sie hat einen Brief für dich hinterlassen, der alles erklärt.«
Elena atmete erleichtert auf. Ihr Verstand war noch zu schwach, um die Bedeutung der Abspaltung der anderen zu erfassen. Aber darüber konnte sie auch später noch nachdenken, jetzt nicht. Ihr Herz war zu verletzt.
Vom Heck des Schiffes ertönte eine weitere vertraute Stimme. Sie blickte nach hinten und erkannte Flint, der zusammen mit einigen dunkelhäutigen Seeleuten am Ruder stand. An der Röte auf den Wangen des alten Bruders erkannte sie, dass er mitten in einer heftigen Diskussion mit den anderen steckte. Er winkte ihr kurz zu, dann gestikulierte er weiter.
»Elena!« Joach lief auf sie zu. Er und der junge Tok hatten sich auf dem Deck gerade im Stabkampf gemessen. »Du bist aufgewacht!«
Sie ließ seine Umarmung über sich ergehen und war froh, dass sie alle gesund waren. Aber all die Aufmerksamkeit begann sie langsam zu strapazieren.
Joach richtete sich vor ihr auf. Finster blickte er seine Schwester an. »Wenn du mich noch einmal über Bord wirfst…«, schalt er sie, aber es gelang ihm nicht lange, den Verärgerten zu spielen. Ein verlegenes Lächeln erhellte sein Gesicht. »Der Mutter sei Dank, du bist gesund, Elena.«
Mama Freda musste die Erschöpfung des Mädchens gespürt haben. »Lasst sie jetzt in Ruhe«, fuhr sie Joach an und scheuchte ihn mit ihrem Stock davon. Auch Tikal schimpfte dem Jungen von der Schulter herab mit lautem Quieken nach. Als Joach gegangen war, wandte sich Mama Freda an Elena. »Lass uns ein Stück gehen, dann steigst du wieder hinunter.«
Elena nickte. Sie überquerte das Deck und musste immer wieder husten. Mama Freda legte zwischendurch einmal die Hand auf Elenas Stirn, aber die Heilerin schien zufrieden mit dem, was sie fühlte.
Sie blieben an der Reling stehen und starrten aufs Meer. Grüne Inseln mit steilen Felsküsten lagen vor ihnen. Sie mussten das Archipel erreicht haben, während Elena geschlafen hatte. Elena suchte den Horizont ab. Nicht eine schwarze Rauchsäule zeichnete sich am Himmel ab.
»Das Schiff ist sehr schnell gesunken«, sagte Mama Freda. »Wir haben das Wasser einen halben Tag lang nach Er’ril abgesucht, aber nichts gefunden.«
»Er war bereits fort«, murmelte Elena.
Mama Freda legte schweigend die Hand auf Elenas Arm. Am Himmel schrien die Möwen laut durcheinander. Elena hörte ihnen zu. Ihre Augen starrten auf die Dünung, während das Schiff durch Strömung und Wind ritt.
Plötzlich brach Mama Fredas Haustier, das bis jetzt unter lautem Geplapper vergeblich versucht hatte, die Haare der Heilerin zu lösen, in lautes Kreischen aus. Elenas Blick schnellte nach oben, da die Möwen über ihr ebenfalls zu schreien begannen. Tikal klammerte sich an den dünnen Hals der Heilerin. Die Augen des Tieres weiteten sich vor Angst. Es starrte in den Himmel.
»Was ist mit ihm?« fragte Elena.
Mama Fredas blinde Augen starrten ebenfalls hinauf. »Ich sehe, was Tikal sieht«, sagte sie mit besorgter Stimme. »Seine Augen sind schärfer als die der Menschen. Ein sonderbarer Vogel kommt geflogen.«
»Der Wyvern.« Elena suchte den Himmel nach einem schwarzen Fleck ab. »Er kommt bestimmt zurück.«
»Es ist seltsam…«, murmelte die Heilerin.
Dann sah auch Elena das Tier. Es tauchte aus dem gleißenden Sonnenlicht auf, als hätten deren
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