Alasea 03 - Das Buch der Rache
so steif und förmlich aufzutreten? Hast du vergessen, wie du einst auf meinen Knien geritten bist?«
»Natürlich nicht, Onkel… äh, ich meine, Meister Edyll.«
Kast trat neben das verlegene Mädchen und legte eine Hand auf Saag wans Schultern. Er sprach für sie. »Wenn ich etwas dazu sagen dürfte…?«
Ein Teil der guten Laune verschwand von den Lippen des Ältesten, aber nicht alles davon. »Bitte, erklär es uns, Kast.«
»Saag wan und ich bitten um die Erlaubnis, den Leviathan verlassen zu dürfen.«
»Zu welchem Zweck?«
»Die Mer’ai haben die Untiefen nun schon fast einen vollen Mond lang durchkämmt. Und bis jetzt haben wir die Blutreiter noch nicht gefunden. Die Zeit wird knapp.«
»Weißt du denn, wo sich dein Volk da draußen vielleicht versteckt halten könnte?«
Kast befeuchtete sich die trockenen Lippen. »Nein, Sir. Aber die Mer’ai bewegen sich zu langsam durchs Meer.«
Diese Worte bewirkten ein aufgeregtes Murmeln unter den anderen Ältesten. Die Mer’ai waren es nicht gewohnt, auf ihre eigenen Unzulänglichkeiten hingewiesen zu werden. Nur Saag wans Mutter und Meister Edyll schwiegen.
»Noch einmal, Kast, was schlägst du vor?« fragte Edyll, nachdem die anderen sich beruhigt hatten.
»Ich schlage vor, dass Saag wan an die Bande in mir rührt und Ragnar’k freilässt. Da der Drache fliegen kann, wird sich die Suche verkürzen und…«
Da ergriff Saag wans Mutter zum ersten Mal das Wort. »Nein. Darüber haben wir bereits gesprochen, als wir die Küste verließen. Das ist zu gefährlich für uns. Ein Drache allein kann es nicht mit den Flotten der De’rendi aufnehmen. Sie würden das gewaltige Tier, das über ihre Segel hinwegflöge, sofort erkennen, es sei denn, sie nehmen es nicht mehr so genau wie früher. Und selbst wenn ihre Pfeile euch verfehlten, ihr würdet sie auf uns aufmerksam machen. Wenn wir erreichen wollen, dass sich die De’rendi festlegen und sich unserem Willen beugen…«
Nun wurde Kast ärgerlich. »Sie sollen sich Eurem Willen beugen? Haltet Ihr Euch noch immer für unsere Herren? Die De’rendi vergossen ihr Blut auf dem Meer, damit die Mer’ai in die Tiefe entkommen konnten. Es waren unsere Schiffe, die die gul’gothanischen Horden aufhielten, damit Ihr überleben konntet. Und Ihr glaubt nun, Ihr könntet einfach zurückkommen und uns erneut zu Euren Sklaven machen? Wir haben unsere Freiheit mit viel Blut bereits bezahlt!«
Seine Worte verursachten keine Regung in dem kalten Gesicht der Frau. »Wir kennen unsere Geschichte. Wir wissen aber auch, dass die De’rendi noch eine Schuld zu begleichen haben, bevor sie wirklich frei sein können.« Sie deutete mit der Hand auf ihre eigene Wange. »Zeichnet ihr eure Söhne noch immer mit dem Mal des Meerfalken?«
»Ja, wir haben die alten Eide nicht vergessen.«
»Aber weißt du auch, warum wir das von euch verlangen?«
Kast erinnerte sich an den Tag, an dem Saag wan das Bündnis mit ihm einging. Während der Bann gesprochen worden war, hatten sie gemeinsam auf ein längst verdunstetes Meer geblickt und beobachtet, wie auf einem Drachenschiff eine Abmachung getroffen wurde. Seine Vorfahren hatten einst zugestimmt, jedem Jüngling, der die Reife erlangte, das Zeichen des jagenden Meerfalken mit den Farben von Kugelfisch und Riffoktopus einzutätowieren. Kast fuhr sich mit dem Finger über Wange und Hals, wo einst die Meerfalken Tätowierung eingeritzt war. Er erinnerte sich an Saag wans erste Berührung, bevor der Drache ihn eingefordert und das Mal verändert hatte. Es war ein Brandzeichen auf seiner Haut gewesen, das ihn an ihren Willen gebunden, ihn förmlich versklavt hatte, solange sie ihn berührte.
Kast blickte auf die fünf Ältesten. »Warum?« fragte er schroff. »Was wollt Ihr noch von meinem Volk? Ich bin sicher, meine Leute werden aus freien Stücken kommen, um gegen die Gul’gotha zu kämpfen. Ihr müsst uns nicht noch einmal versklaven.«
Meister Edyll antwortete. »Du missverstehst uns, Kast.«
»Wie?«
Der Humor kehrte auf die Lippen des Ältesten zurück. »Hast du niemals darüber nachgedacht?« Als Kast nicht darauf antwortete, fuhr Meister Edyll fort. »In der alten Sprache erklärt euer eigener Name das Geheimnis. De’rendi bedeutet Drachenvolk.« Meister Edyll wartete, dass seine Worte zu Kast durchdringen und dieser sie verstehen würde.
Aber Kast schüttelte nur den Kopf.
Der alte Mann seufzte. »Die Meerfalken Tätowierung ist nicht dazu da, dein Volk zu versklaven, Kast,
Weitere Kostenlose Bücher