Alasea 03 - Das Buch der Rache
Turmes der Dahingeschiedenen, und er umklammerte seinen Stab mit eisernem Griff.
In diesem letzten Kampf würde er seine Schwester nicht enttäuschen.
25
Elena folgte Er’ril und seiner Laterne weiterhin. Sie wünschte, er wäre schneller gegangen, aber nach der zweiten oberirdischen Explosion bewegte er sich noch vorsichtiger vorwärts. Im Gegensatz zu dem umsichtigen Präriemann wäre Elena nach den heftigen Erschütterungen am liebsten blind davongerannt. Die Sorge um Joach und die anderen schürte ihre Angst. Hatten diese Explosionen etwas mit dem Bösewächter zu tun? Sie befahl ihren Beinen, mit Er’ril Schritt zu halten. Sie konnte ihn nicht verlassen, nicht solange er das Buch des Blutes bei sich hatte.
Elena musste auf den Weg vor sich achten, doch immer wieder kehrte ihr Blick zu dem Licht und Schattenspiel zurück, welches der Schein der Laterne auf Er’rils muskulösen Rücken zauberte. Sie hatte Er’ril schon mit nacktem Oberkörper gesehen, aber niemals mit zwei Armen. Zuerst hatte sie Schwierigkeiten gehabt, dieses neue Erscheinungsbild mit dem alten in ihrem Kopf in Einklang zu bringen. Dieses Ebenmaß in seiner Gestalt hatte vorher gefehlt. Sie ließ ihren Blick über seine Schulter zu dem neuen Arm gleiten. Keine Narbe trennte den Arm von der Schulter, nur die verschiedenen Farbtöne zogen eine klare Grenze. Schulter und Rücken waren tiefbraun von der Sommersonne. Der neue Arm konnte zwar mit einer hellen Kupferbräune aufwarten, doch die tiefe Bräune des Oberkörpers erreichte er nicht. Die Grenze, an der sich der alte und der neue Er’ril trafen, war klar zu erkennen.
Elena fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, ihr Mund war ausgetrocknet. Wie sehr sie sich doch wünschte, diese feine Linie zwischen kupferfarbener und tiefbrauner Haut zu berühren. Sie hätte gern herausgefunden, ob es wirklich noch derselbe Er’ril war, den man ihr entrissen hatte. Wenn er ihr nur irgendein Zeichen gäbe, damit sie in seine Arme sinken könnte. Sie zitterte in der kühlen Luft der Katakomben. Es lag schon so lange zurück, dass sie die Wärme seiner Haut auf ihrer Wange gespürt hatte. Bitte, flehte sie ihn schweigend an, gib mir ein Zeichen deiner wahren Gefühle.
Elena presste die Eisenfaust an ihre Brust. Das kühle Metall erinnerte sie daran, dass sie sehr vorsichtig vorgehen musste. Sie durfte ihre Tarnung noch nicht fallen lassen. Aber sogar der Geruch seines Schweißes erinnerte sie daran, wie er sie manchmal an sich gedrückt hatte. Elena hielt den Schlüssel so fest umklammert, dass die Knöchel ihrer Hand weiß hervortraten. Sie war kein kleines Mädchen mehr, das einen Ritter versonnen anhimmeln konnte. Das Schicksal Alaseas hing von ihrer Umsicht und Selbstbeherrschung ab. Sie musste standhaft bleiben.
Plötzlich blieb Er’ril vor ihr stehen.
In Gedanken versunken, wäre Elena beinahe gegen seinen Rücken geprallt. Gerade noch rechtzeitig kam sie vor ihm zum Stehen, jedoch so knapp, dass sie seine Körperwärme spürte, ihre nackte Haut so nahe an seinem freien Rücken. Eine Welle der Erregung wogte durch ihren Körper vom Kopf bis in die Zehen. Sein Geruch betörte ihre Sinne. Sie spannte alle Muskeln an und durfte sich weder bewegen noch atmen, damit er sie nicht hörte.
Er’ril duckte sich und ging weiter, seine Körperwärme ging mit ihm. Elena stieß einen stillen Seufzer aus, einerseits erleichtert, andererseits aber auch enttäuscht. Obwohl niemand sie sehen konnte, nahm auch Elena eine leicht gebückte Haltung ein. Ihr Instinkt riet ihr, Er’rils Beispiel zu folgen.
Dann entdeckte sie den Grund für Er’rils plötzliche Vorsicht: flackerndes Licht aus einem Seitengang vor ihnen. Elena erkannte, dass es der Gang war, der zu Flints Geheimtreppe führte. Sie hätte nicht gedacht, dass sie so weit gegangen waren. All die Sorgen und Nöte hatten ihr Gefühl für Entfernungen gestört.
Er’ril dämmte die Laternenflamme zu einem winzigen Flämmchen ein. Er stellte die Laterne auf den Boden und schlich sich weiter durch den Gang, um sich im Schatten einer Biegung auf den Boden zu kauern. Während er sich bückte, steckte er das Buch des Blutes hinten in den Gürtel seiner Hose. Dann holte er Elenas Hexendolch heraus und hielt ihn vor sich.
Elena konnte einige Zeit nur wie gebannt auf die goldene Rose des Buchumschlages starren, der unter Er’rils Gürtel hervorlugte. Die Rose schien in dem schwachen Lichtschein fast zu glühen. Elena musste nur die Hand ausstrecken und
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