Alasea 03 - Das Buch der Rache
richtigen Bann ausgesprochen. Greschym stolperte um die Ecke. Er musste das Stöhnen nicht vortäuschen, als er auf die Pflastersteine fiel.
Joach fuhr herum, da er jemanden fallen hörte, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Der Stab loderte vor Dunkelfeuer. Greschym empfand die Magik, die der Stab ausstrahlte, wie die Wärme eines Ofens mitten im Schneesturm.
Aber so schnell, wie die Flammen auf dem Stab entstanden waren, so schnell verschwanden sie auch wieder. Joach rannte zu Greschym. Er fiel neben dem alten Magiker auf die Knie. Die Augen des Jungen blickten besorgt auf den Greis, dem er zu Hilfe eilte. »Elena!« rief er. »Was ist mit dir geschehen? Wie bist du herausgekommen?«
Greschym lächelte, während er an den verschiedenen Strängen im Verstand des Jungen zupfte und zog, um die Täuschung in den Augen des Jungen aufrechtzuerhalten. »Ich weiß nicht«, sagte er schwach. Greschym wusste, dass seine Stimme wie die der geliebten Schwester in Joachs Ohren klang.
»Wir müssen von der Straße weg!« rief Joach und fasste Greschym unter die Schultern, um ihm aufzuhelfen.
»Ja. Ja, wir müssen uns verstecken.« Greschym ließ sich von dem Jungen fast tragen, so erschöpft war er. Seine Finger strichen insgeheim liebevoll über das Poi’holz. Bald, dachte er.
Dann purzelten die Worte aus Joach nur so heraus: »Es scheint, dass es Merik gelungen ist, die Elv’en Flotte aufzuhalten. Wir müssen auf einen Turm steigen und ihnen ein Zeichen geben.«
»Um zu flüchten?«
Joach nickte und zog Greschym näher an sich. »Spare dir deine Kräfte auf, Elena.« Sie liefen über die Straße und zum Eingang des nächstgelegenen Turmes. Da trafen sich ihre Blicke, und Joach grinste müde. »Es scheint, dass wir unser Schicksal nicht umgehen können«, sagte er und nickte zum Turm. »Wir müssen hinauf.«
Da Greschym die rätselhaften Worte des Jungen nicht recht zu deuten wusste, reckte er den Hals, um zur Brüstung des Turmes hinaufzusehen. Er runzelte die Stirn. Warum dachte der Junge, sie müssten unbedingt auf den Turm der Dahingeschiedenen steigen?
Voller Gram und Sorge stemmte Er’ril die Schulter gegen das verzogene Eisengitter, das den Eingang zu den Katakomben versperrte. Er starrte auf den zerstörten Großen Hof. Alles lag in Schutt und Asche. Rauch stieg aus Feuern, in denen noch das Holz des uralten Koa’kona Baumes glomm. Er’ril zuckte zusammen angesichts des einst so mächtigen, nun unwiederbringlich zerstörten Baumes.
Aber wie er selbst hatte der Baum seine Zeit der Nützlichkeit längst überlebt. Beide waren sie nur noch graue, veraltete Überbleibsel aus den vergangenen ruhmreichen Tagen Alaseas. Da das Buch des Blutes nun befreit war, hatte Er’ril seine Pflicht gegenüber den Jahrhunderten erfüllt. Von jetzt an ruhte das Schicksal dieses Landes auf jüngeren Schultern, als es die seinen waren. Es war nun an ihnen, den Herrn des Schreckens von seinem mächtigen Thron zu reißen. Sollten sich die Prophezeiungen als wahr erweisen, waren die Hexe und das Buch die einzige Hoffnung des Landes. Er’ril hätte all seine Stärke aufgeboten, doch Weissagung und Bestimmung sahen vor, dass die Hexe von nun an allein ihren Weg ging.
Dieser Gedanke versetzte ihm einen Stich ins Herz. Er’ril presste eine Faust gegen die Rippen. Er redete sich ein, die Schmerzen rührten von der sengenden Hitze und dem Rauch in seinen Lungen her, doch gelang es ihm nicht, sich selbst zu täuschen. Er hatte sich immer als Elenas Ritter gesehen, und es schmerzte ihn nun, dass er ihr niemals wieder so nahe sein würde, wie er es in der letzten Zeit gewesen war. Er fühlte, dass das Buch seine Rolle übernehmen würde. Von diesem Tag an war er für Elena in etwa so nützlich wie die rauchenden Überreste des toten Koa’kona Baumes.
Er warf einen Blick auf seinen neuen Arm und fluchte leise. So wenig hatte er gewonnen und viel zu viel verloren.
Er’ril stieß einen Seufzer aus, wappnete sich innerlich für den weiteren Marsch und suchte den Hof mit den Augen nach Gefahren und Feinden ab. Über sich erblickte er ein riesengroßes fliegendes Schiff, das sich in Richtung Meer zurückzog. Blitze tanzten an seinem Metallkiel entlang. Er’ril vermutete, dass das Schiff für die Zerstörung der Ordensburg verantwortlich war. Schweigend dankte er den unbekannten Verbündeten. Durch ihre Hilfe hatten sie den Magikern die Macht über die Insel entreißen können. Die Burg schien jetzt tot und verlassen zu sein.
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