Alasea 03 - Das Buch der Rache
Mitgefühl. »Es tut mir Leid, Tol’chuk. Ich habe nicht daran gedacht. Deine Mutter tat, was sie tun musste, um das Mädchen zu schützen.«
»Wir werden einen Weg finden, um die anderen zu erreichen«, sagte Tol’chuk mit finsterer Miene.
»Wie?«
»Wir müssen meinen Beutel finden. Das Herz meines Volkes wird mich zu ihr führen.«
Krals Augen wurden zu Schlitzen. Er hatte den Schatz des Og’ers ganz vergessen, einen wertvollen Herzstein, der den Geist des Og’ers an seine Magik band. Der Kristall diente als Zuflucht für die verstorbenen Seelen des Og’er Volkes. Eigentlich sollte er der geistige Kanal sein, durch den die Seelen der Verstorbenen in die nächste Welt gelangten. Aber der Stein war nach einem Verrat, den einer von Tol’chuks Vorfahren in grauer Vorzeit begangen hatte, verflucht worden. Dem Fluch war die Gestalt eines schwarzen Wurmes im Herzen des Steins verliehen worden. Der Vernichter, wie er genannt wurde, fing die Geister der Og’er im Stein und erlaubte ihnen nicht, in die nächste Welt einzutreten.
Tol’chuk war die Aufgabe übertragen worden, den Fluch zu brechen. Aber wie der Og’er dies vollbringen sollte, war ihm nicht verraten worden. Tol’chuk hatte nur das Drängen der Magik im Stein, das ihn führte.
»Und du glaubst, der Kristall könnte uns zu Elenas Aufenthaltsort führen?« fragte Kral. »Auch ohne Mikelas Wissen?«
Tol’chuk bewegte seinen bulligen Körper. Seine Eisenketten rasselten. »Wenn wir entkommen können …«, antwortete er.
Kral drehte sich von den anderen weg und ging zurück an die Gittertür. Er pochte mit der Faust gegen die Stäbe und zog damit die Aufmerksamkeit der zwei Wachen am Ende des Ganges auf sich. »He, Wachen! Ich muss mit eurem Anführer sprechen.«
Einer der beiden Männer, ein stämmiger Bursche mit stoppeligem, schwarzem Haar, gebrochener Nase und schielenden Augen, tat Krals Ruf mit einer abwehrenden Handbewegung ab. »Sei ruhig oder ich werde mein Messer ziehen und dir die Zunge herausschneiden.«
Der Wachmann wandte sich wieder der Unterhaltung zu, die er mit seinem Kumpan führte, einem kahl geschorenen Rohling mit pockennarbigem Gesicht.
Mogwied erhob hinter Kral die Stimme. »Was hast du eigentlich vor?«
Kral blickte über die Schulter zurück. Der blasse Gestaltwandler hatte sich auf die Ellbogen gestützt und starrte ihn an. »Ich versuche einen Weg zu finden, wie ich uns hier heraushauen kann«, antwortete der Gebirgler.
»Bei einem Bösewächter? Bist du nicht ganz gescheit? Unsere einzige Hoffnung ist, dass sie uns hier drin vergessen.«
»Das werden sie wohl kaum tun. Sklavenhändler nehmen es für gewöhnlich sehr genau mit ihrem Eigentum.«
»Dann ist es vielleicht das Beste, zu warten, bis sie uns verkauft haben. Wenn wir erst einmal aus diesem Gefängnis draußen sind und weit weg von dem Bösewächter und seinen verfluchten Vögeln, haben wir mehr Aussichten zu entkommen.«
Kral hätte Mogwieds Vorschlag normalerweise nickend zugestimmt, aber er konnte es nicht riskieren, von dem Og’er getrennt zu werden. Tol’chuk war der Einzige, der ihn zur Hexe führen konnte. »Nein, wir bleiben zusammen«, sagte er. »Außerdem haben wir die Zeit nicht mehr. Er’ril wird bei Neumond aufbrechen, auch wenn wir dann noch nicht bei ihnen sind.«
Mogwied legte sich zurück auf die Pritsche und hielt sich den Unterarm über die müden Augen. »Vielleicht ist das ohnehin das Beste«, murmelte er.
Kral strafte den Gestaltwandler für seine Feigheit mit einem finsteren Blick. Er drehte sich wieder zur Tür und rüttelte an den Eisenstäben, die in ihren Scharnieren klapperten. »Ich habe Neuigkeiten für euren Anführer«, rief er den Wachen zu. »Etwas, das einen höheren als meinen Preis auf dem Sklavenmarkt einbringen wird.« Der stoppelhaarige Wachmann schimpfte leise über die erneute Störung und griff nach dem Dolch an seinem Gürtel, aber der andere Soldat legte eine Hand auf den Ellbogen des Gesellen.
»Welche Neuigkeiten?« fragte der pockennarbige Wächter und hielt den anderen weiter fest.
»Ich werde es nur eurem Anführer sagen, dem Mann mit den abgerichteten Krähen.«
Eine Flut von derben Flüchen quoll nun aus dem Mund des stämmigen Dolchträgers. Er schlug den Arm des anderen zur Seite, doch der Kumpan blieb standhaft. Obschon die beiden nur miteinander flüsterten, konnten Krals Ohren, durch viele Winter langes Fährtensuchen geschult, die Worte verstehen. »Ganz ruhig, Jakor. Wir sollten uns
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