Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
hatte. Doch als er herumfuhr, stellte er fest, dass es Typhon gelungen war, das Schwert in der Hand zu behalten. Der Elv’e stieß einen lauten Schrei aus, drehte sich und wollte damit auf Er’ril einprügeln.
Aber Er’ril war nicht mehr da.
Er hatte sich zur Seite gerollt. Hinter ihm traf die Klinge mit dumpfem Schlag auf die Holzdielen. Bevor der Prinz das Schwert wegziehen konnte, wälzte sich Er’ril auf die Waffe, setzte den Dolch vor der Brust auf die Klinge und drückte sie mit seinem ganzen Gewicht gegen den Boden. Als Typhon das Schwert zurückziehen wollte, schrammten die stählernen Klingen mit schrillem Kreischen aneinander. Er’ril nutzte den Moment und versetzte dem Prinzen mit dem Ellbogen seines blutenden Armes einen Hieb auf die Nase, dass die Knochen krachten. Sein Gegner schrie vor Schreck laut auf.
Als Nächstes ließ Er’ril den Ellbogen auf die Hand des Prinzen niedersausen. Typhons Finger wurden hart gegen den Schwertgriff gequetscht. Er ließ die Waffe los, das Schwert fiel zu Boden. Er wollte sich mit blutiger Nase wegrollen.
Er’ril folgte ihm und stieß mit der Stiefelspitze das Schwert weit von sich. Der Prinz schaffte es nicht, auf die Knie zu kommen. Er’ril sprang ihm auf den Rücken und drückte ihn so heftig gegen die Dielen, dass dem Elv’en die Luft wegblieb. Der Prinz war nun aller Waffen beraubt und lag unter Er’rils Gewicht gefangen. Er rang schluchzend und keuchend nach Luft und sah sich schon dem Tode nahe.
Er’ril fasste ihm mit der Hand ins Haar, riss ihm den Kopf nach hinten und zeigte der Königin auf ihrem Podest seine ungeschützte Kehle. Dann setzte er ihm den Dolch mit der Schneide an den Hals. Sein eigenes Blut tropfte aus dem Schnitt im Arm in das silberblonde Haar. Der Prinz war besiegt.
Er’ril wandte sich der Hohen Tafel zu. Im Saal war es still geworden. Er’ril starrte Königin Tratal durchdringend an. »Ich habe Elenas Freier in ehrlichem Kampf bezwungen. Ich habe das Blut deines Streiters vergossen. Erkennst du nun an, dass Elena mein ist, oder muss ich deinen Neffen erst noch töten? Willst du diesen jungen Mann deinem Stolz opfern?«
Königin Tratal hielt immer noch ihr Zepter vor sich ausgestreckt. Energieströme rasten darüber hinweg. Ihre Augen waren kalt wie Eis, ihre Miene unergründlich.
Elena schaltete sich ein. »Nach euren eigenen Gesetzen ist Er’ril der Sieger. Bitte erlass es ihm, den Prinzen zu töten. Ich sehe, dass Typhons Herz bereits Prinzessin Mela gehört. Mach das Elend nicht noch größer.«
Allmählich beruhigten sich die Energieströme, die um das Zepter tobten. »Ich darf die königliche Blutlinie nicht verlieren.«
»Das wirst du auch nicht. Der König lebt in meinem Bruder und in mir fort und er wird in unseren Kindern wiedererstehen. Wenn du das Leben des Prinzen verschonst, verspreche ich dir hiermit feierlich, unser beider Linien eines Tages zusammenzuführen. Die zwei königlichen Häuser werden wieder eins sein.« Elena legte der Königin die Hand auf den Arm. »Aber nicht heute … nicht in dieser Nacht.«
Tratal ließ das Zepter sinken. Die Energie im roten Eisen erlosch. Sie sah auf Er’ril hinab. »Nach Elv’en Recht erkläre ich den Zweikampf nach dem Ry’th Lor für entschieden. Er’ril von Standi ist der Sieger. Er hat Elena Morin’stals Hand errungen und seinen Anspruch mit Blut besiegelt.«
Er’ril neigte den Kopf und nahm den Spruch an. Dann stieg er von Prinz Typhons Rücken und half dem jungen Elv’en beim Aufstehen. »Du hast dich wacker geschlagen«, flüsterte er ihm ins Ohr.
Prinz Typhon rieb sich die Kehle. Er’ril hatte den Dolch gesenkt, mit dem er eben noch das Leben seines Gegners bedroht hatte. Nun warf er ihn von sich und reichte dem Elv’en die Hand. Der Prinz starrte verständnislos auf sie nieder.
Er’ril hatte schon so manches Mal erlebt, dass ein Besiegter zu stolz, zu zornig war, um das Versöhnungsangebot seines Gegners zu akzeptieren, doch Typhon hob langsam die heile Hand und erwiderte Er’rils Händedruck. Dann senkte er beschämt den Kopf. »Mir scheint, ich habe noch viel zu lernen.«
Er’ril schüttelte ihm die Hand. »Wer hätte das nicht?«
Typhon trat beiseite. Er’ril ging zum Podest. Noch waren nicht alle Fragen geklärt. Er sagte so laut, dass der ganze Saal es hören konnte: »Nachdem Elenas Hand nun wieder frei ist, bitte ich darum, auf die Hochzeit zu verzichten und uns freien Abzug hinab nach Gul’gotha zu gewähren.«
Königin Tratal
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