Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
schien verwirrt. »Du hast den Brauch des Ry’th Lor offenbar nicht recht verstanden. Du hast die Herausforderung ausgesprochen. Elena hat sie angenommen. Du bist aus dem Zweikampf als Sieger hervorgegangen. Wie ich eben schon sagte, wurde der Bund mit Blut besiegelt. Jetzt kann er nicht mehr gelöst werden.«
»Was soll das heißen?« fragte Elena. Sie wirkte ebenso ratlos wie Er’ril.
Königin Tratal blickte von einem zum anderen, dann setzte sie sich langsam und schüttelte resigniert den Kopf. »Nach Elv’en Recht seid ihr bereits vermählt. Das war soeben eure Hochzeitszeremonie.«
Elena verschlug es die Sprache. Sie sah Er’ril nur stumm an.
Typhon klopfte seinem Gegner auf die Schulter. »Meinen Glückwunsch.«
Bis zum Morgengrauen war es nicht mehr weit. Elena stand auf einem Balkon hoch über der Stadt Sturmhaven. Sie trug ihr Nachtgewand, hatte aber bisher kein Auge zugetan. Nach dem Kampf zwischen Er’ril und Prinz Typhon hatte man rasch das Blut der beiden Gegner vom Boden des großen Saales gewischt und sich dann mit Feuereifer daran gemacht, Elenas Hochzeit zu feiern. Die Diener hatten Wein gebracht und einen Gang nach dem anderen aufgetragen: dicke Suppen mit Zwiebeln und Linsen, gebratene Wachtelflügel in cremiger Orangensoße, Salate aus verschiedenen Blütenblättern, Brot mit reichlich Zimt und Rosinen, Früchte aller Art, zu Figuren geschnitten, um auch das Auge zu erfreuen, geräucherte Ente mit Gewürzen, die auf der Zunge brannten, und schließlich samtig weiche Schokolade, deren Geschmack mit kleinen Schlucken Portwein betont wurde.
Doch an Elena war das ganze Festmahl vorübergerauscht, ohne dass sie viel davon mitbekommen hätte. Nach dem Kampf hatte man Er’ril und Prinz Typhon zu den Heilern der Stadt gebracht. Elena hatte ihren Streiter weder während der Feier noch hinterher wieder gesehen, als man sie in ihre Räume geführt hatte. Alle hatten ihr versichert, Er’ril gehe es gut, und die Heiler von Sturmhaven hätten nicht ihresgleichen. Ihr einziger Trost aber hatte darin gelegen, dass Mama Freda mit Er’ril gegangen war. Zu ihren Fähigkeiten hatte Elena Vertrauen. Als nach dem Essen der Tanz eröffnet worden war und die Spielleute auf den Balkonen ihre getragenen Balladen angestimmt hatten, war Mama Freda kurz in den Saal gekommen und hatte berichtet, Er’rils Heilung schreite gut voran. »Das Drachenblut wird mit dem kleinen Kratzer an seinem Arm kurzen Prozess machen.« Danach hatte ihr die alte Heilerin versprochen, zusammen mit Tikal Krankenwache zu halten, und war wieder an Er’rils Bett zurückgekehrt.
Nach dem Fest hatte Königin Tratal Elena aus dem Saal geleitet. Tratal hatte während der langen Nacht kaum ein Wort mit ihr gewechselt, sondern nur im Essen herumgestochert und stumm genickt, wenn einer der Höflinge versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Aber draußen vor dem Saal hatte sie Elena zurückgehalten. »Ich baue auf dein Versprechen, Elena Morin’stal. Eines Tages wirst du unsere beiden Häuser wieder vereinen.«
»Du hast unzählige Generationen gewartet«, hatte Elena geantwortet. »Was kommt es da auf eine oder zwei weitere an?«
Königin Tratal hatte sie mit ihren eisig blauen Augen nur stumm angesehen.
Elena war ihr nicht ausgewichen. »Ich stehe zu meinem Wort. Eines Tages werden unsere Häuser wieder eins sein dessen bin ich gewiss , aber es darf niemals mit Gewalt geschehen. Nur eine Hand, die in Liebe und aus freiem Willen zum Bund gereicht wird, kann die königlichen Erblinien zusammenführen.«
Darauf hatte die Königin geseufzt, das Eis war für einen Moment geschmolzen, und ihre Stimme war weicher geworden. »Liebe … Das sagt sich leicht, wenn man so jung ist. Aber kennst du denn dein eigenes Herz, Elena?« Mit diesen rätselhaften Worten war Tratal davongeschwebt und hatte Elena den Gardisten überlassen. Bis zu ihren Turmgemächern war es ein weiter Weg gewesen, und auch danach hatte Elena keine Ruhe gefunden.
Die Worte der Königin wollten ihr nicht aus dem Kopf gehen. Sie war jetzt mit Er’ril vermählt. Und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Einerseits war es nur eine Zeremonie gewesen, die jegliche Bedeutung verlieren würde, sobald sie das Elv’en Reich verließen. Andererseits wollte sie auch das nicht wirklich. Wieder erinnerte sie sich an den Tanz auf dem Turm. Nie hatte sie sich so sicher und geborgen gefühlt wie in Er’rils Armen. Aber niemand sollte ihre Hand mit dem Schwert erringen, nicht
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