Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
neben Elena und griff an sein Schwert.
Ein funkelnder Blick war ihre einzige Antwort.
Das Gitter schwang auf. Sie ging auf den knienden Zwerg zu und sprach ihn mit seinem Namen an. »Steh auf, Wennar. Ich bin hier, um euch um Hilfe zu bitten.«
Der Zwerg erhob sich nur zögernd und hielt weiter den Blick gesenkt. »Sag uns, was du begehrst. Wir sind deine Diener.«
Inzwischen hörten alle Zwerge aufmerksam zu. Sogar die Schläfer hatte man wachgerüttelt.
Elena nahm Wennars Beteuerung mit einem Nicken zur Kenntnis. »Danke. Meine Bitte richtet sich an euch alle.«
Wennar nickte und wartete, ohne sie anzusehen.
»Tol’chuk dürfte euch bekannt sein.«
Wieder nickte der Anführer der Zwerge. »Der Og’er.«
»Er steht im Begriff, eine gefahrvolle Reise anzutreten.«
Wennar hob den Kopf und kniff fragend die Augen zusammen.
»Nach Gul’gotha«, sagte Elena.
Die Augen des Zwergs wurden groß. Ein Raunen ging durch die Zelle. »In dieses Land darf er nicht reisen«, murmelte der Anführer. »Der Namenlose hat sogar die Erde vergiftet. Wer sein Zeichen nicht trägt, hat dort nur den Tod zu erwarten.«
»Er muss aber dorthin. Der Geist seines Vaters hat es ihm befohlen, und wir hoffen, dass er uns im Kampf gegen Gul’gothas Horden helfen kann.«
Wennar wandte sich ab. »In diesen Gefilden gibt es kein Heil.«
Elena warf einen Blick auf Er’ril. Der Präriemann tat so, als hätte er keine andere Antwort erwartet.
»Und was wünschst du von uns?« fragte Wennar und betrachtete angelegentlich die Glut in einem der Kohlebecken.
»Ich möchte, dass ihr Tol’chuk begleitet. Es ist euer Land. Ihr kennt es und könnt ihm helfen.«
Wennars Schultern bebten. »Wir haben dir einen Eid geschworen, aber du verlangst Unmögliches.«
»Warum?«
»Hunderte von Wintern sind vergangen, seit der letzte Zwerg den Fuß auf Gul’gothas Boden setzte. Unsere Heimat ist tot. Wir würden uns dort nicht besser zurechtfinden als der Og’er.«
»Aber ihr habt doch sicher alte Karten gesehen und versteht etwas von …«
Wennar drehte sich jäh um. Elena hätte nicht gedacht, dass er sich so schnell bewegen könnte. Er’ril hatte schon sein Schwert aus der Scheide gerissen, aber der Anführer der Zwerge hatte nichts Böses im Sinn. »Unsere Heimat ist tot!« heulte er. Die Tränen rannen ihm aus den Augen. Sein Greisengesicht war zu einer Maske der Angst verzerrt. »Sie ist uns verschlossen.«
Nun meldete sich Er’ril erstmals zu Wort. »Ich habe dir gleich gesagt, du verschwendest nur deine Zeit.«
Wennar wandte sich ab wie ein geprügelter Hund. »Es tut mir Leid, Herrin Elena.«
Doch Elena gab sich noch nicht geschlagen. »Und wenn ihr den Try’sil auf die Reise mitnähmet?«
Wennar erstarrte.
»Ich habe Cassa Dar versprochen«, fuhr Elena fort, »euren Talisman eines Tages seiner Heimat, den Bergwerken von Gul’gotha, zurückzugeben, wie es in der alten Prophezeiung steht.«
»Der Hammer des Donners«, murmelte der Zwerg.
»Der Weissagung nach wird die Rückkehr des Hammers die Wiederauferstehung eurer Heimat einläuten.«
Wennar blieb von ihr abgewandt. Er zog sich sogar noch weiter in sich selbst zurück. »Es darf keine Zwergenhand sein, die den Try’sil trägt.«
»Dann wird Tol’chuk es tun«, sagte Elena.
»Nein.« Wennar drehte sich langsam um. »Hat dir die Herrin der Zwerge in den Sümpfen das nicht erklärt? In der Legende heißt es ausdrücklich, nur wer den Hammer befreite, kann ihn auch nach Hause bringen.« Wennar hob den Kopf und sah sie zum ersten Mal offen an. »Nur du kannst unser Land erlösen.«
Er’ril stieß das Schwert in die Scheide zurück. »Elena kann nicht nach Gul’gotha reisen. Sie wird hier gebraucht.«
Elena hatte zunächst genauso reagieren wollen wie der Mann aus der Prärie. Alle hatten so hart gekämpft, hatten so viele Verluste in Kauf genommen, um sie nach A’loatal zu bringen. Wie konnte sie da erwägen, sich einfach aus dem Staub zu machen, wenn am Horizont der große Krieg drohte? Doch als Er’ril den Einwand aussprach, dachte sie noch einmal genauer darüber nach. Sie sah sich, von allen anderen fast vergessen, auf dem Rosenthron sitzen. War sie hier wirklich so wichtig, wie sie glaubte? Der Krieg war nicht geführt worden, um die Hexe auf die Insel, sondern um Elena zum Buch des Blutes zu bringen. Wurde sie hier wirklich noch länger gebraucht, nachdem das erreicht war? Oder wollte sie womöglich nur sicher im warmen Nest sitzen, während ihre Freunde durch
Weitere Kostenlose Bücher