Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
sie.
Joach griff nach ihrer Kapuze und zerrte daran. Sie versuchte mit schwindenden Kräften ihn abzuwehren. Nein, nicht auch das noch.
Er gewann den Kampf und riss ihr die Kapuze vom Kopf. Jetzt konnten alle ihr Gesicht sehen. Tränenüberströmt starrte sie ihn an. Seine Augen wurden groß, als er sie erkannte. Der Zorn wich aus seinen Zügen, verwandelte sich in Schmerz. Sie schloss die Augen, um es nicht mit ansehen zu müssen.
Aber die Ohren konnte sie nicht verschließen, und so musste sie mit anhören, wie er mit grenzenlos enttäuschter Stimme fragte: »Marta?«
Als die Versammlung sich auflöste, verließ auch Elena den Großen Saal. Er’ril, ihr treuer Schatten, folgte ihr auf dem Fuße. Sie spürte, wie sich hinter ihrem Rücken ein Gewitter zusammenbraute. Natürlich hätte der Mann aus der Prärie seinem Zorn über ihren Entschluss, nach Gul’gotha zu gehen, nur zu gern Luft gemacht, aber er schwieg. Er hatte versprochen, sie zu unterstützen, und er hielt Wort. Aber dieses verstockte Schweigen war in gewisser Hinsicht schlimmer als jeder Wutausbruch. Sein steifer Rücken, die Hand, die das Schwert so fest umklammerte, dass die Knöchel weiß hervortraten, verkündeten sein Missfallen lauter als alle Worte.
Sobald sie die Menge hinter sich gelassen hatten, wurde Elena langsamer und wartete, bis Er’ril neben ihr war. Sie wollte den Konflikt möglichst noch vor Antritt der Reise aus der Welt schaffen.
»Er’ril«, sagte sie, »ich muss nach Gul’gotha.«
»Ich bin dein Paladin«, antwortete er pflichtgetreu. »Du hast das Recht, den Weg zu wählen, den du für den besten hältst. Ich habe geschworen, dir überallhin zu folgen. Daran werde ich mich halten.«
»Ich habe mir die Entscheidung gut überlegt, Er’ril. Wenn Tol’chuk auf seiner Reise Erfolg haben, wenn das Mantikor Tor gefunden werden soll, braucht er meine Magik.«
»Ich verstehe, dass du helfen möchtest, statt nur untätig herumzusitzen. Selbst ich …«
»Das ist es nicht allein.« Elena suchte nach Worten, die ihm verständlich machen konnten, was sie bewegte. »Alle Prophezeiungen, alle Zeichen weisen nach Osten, nach Gul’gotha. Der Skorpion im Stein, die Botschaft von Tol’chuks Vater, die Zwergenlegende von der Heimkehr des Try’sil. Ich spüre … Ich spüre, dass ich mich dorthin begeben muss. Zu lange schon verseucht das Gift des Herrn der Dunklen Mächte Gul’gothas Erde. Wenn unser Land jemals frei sein soll, dann müssen wir auch das Land der Zwerge befreien.« Sie fasste Er’ril am Arm und wandte sich ihm zu. »Kannst du das verstehen? Kannst du mich unterstützen? Nicht nur, weil du mir Gefolgschaft geschworen hast, nicht nur als mein Paladin, sondern als … mein Freund?«
Die Starre des Präriemannes löste sich. Er senkte den Kopf und seufzte. »Nach dem Gespräch mit den Zwergen war mir eigentlich bereits klar, wie deine Entscheidung ausfallen würde. Aber ich hatte mir immer noch Hoffnungen gemacht.«
»Es tut mir Leid …«
»Nein, ich habe vor der Ratssitzung lange über die Worte der Zwerge nachgedacht … und über das, was du sagtest. Vielleicht ist die Reise nach Gul’gotha doch nicht so verrückt, wie ich zunächst dachte. Aus diesem fernen Land erstand einst das Schwarze Herz. Wenn wir erst dort sind, können wir vielleicht mehr über den Großen Gul’gotha in Erfahrung bringen. Auch nach fünf Jahrhunderten wissen wir erbärmlich wenig über das wahre Wesen des Tyrannen. Und wo könnten wir mehr Erkenntnisse über ihn gewinnen als an dem Ort seiner Herkunft, wo sonst könnten wir vielleicht sogar eine schwache Stelle in seinem Harnisch finden?«
Elena fiel ein Stein vom Herzen. Wenn Er’ril ihre Entscheidung mittrug, lag die Last nicht mehr allein auf ihren schwachen Schultern. »Du bist also einverstanden?«
Er sah sie an; seine Augen waren voller Qual. »Am liebsten würde ich dich einsperren, um dich daran zu hindern, diesen gefahrvollen Weg zu beschreiten.« Er wandte sich ab. »Im Innersten jedoch weiß ich, dass du auf dieser Welt nirgendwo mehr sicher bist. Nicht in Gul’gotha, aber auch nicht hier.«
Elena sah den Präriemann lange an, dann griff sie zögernd nach seiner Hand. »Doch, Er’ril, es gibt einen Ort, wo ich für alle Zeiten sicher bin.«
Er sah auf ihre Hand nieder, ohne die seine zurückzuziehen. »Und wo wäre dieser Ort?« Es klang gedämpft, fast erstickt. »Sage es mir, und ich bringe dich hin.«
»Nicht nötig.« Mit einem sanften Händedruck beugte sie
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