Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
sich näher zu ihm. »Ich bin bereits dort.«
Sie sah, wie er zurückzuckte. War sie zu kühn gewesen, hatte sie ihre Gefühle zu deutlich gezeigt? Er wich ihrem Blick aus ließ aber seine Hand noch immer, wo sie war. »Elena …« , flüsterte er. »Ich … ich …«
Vor ihnen entstand ein Aufruhr, und sie wurden abgelenkt. Elena spürte, wie Er’rils Hand aus der ihren glitt, als Joach und ein Kutte tragender Gelehrter um die nächste Ecke bogen. Dahinter kamen zwei Soldaten, die zwischen sich ein gefesseltes Mädchen schleppten.
Joach machte große Augen, als er Er’ril und Elena erkannte.
»Da hast du den Attentäter, der den Anschlag auf dich verübt hat«, stieß er atemlos hervor und nickte zu den Soldaten hin.
»Was?« fragte Er’ril erschrocken und stellte sich schützend vor Elena.
Joach hob die Hände und zeigte ihnen den langen schwarzen Dolch. »Sie wurde ertappt, als sie ihn stehlen wollte.« Er trat beiseite und gab Elena den Blick auf die Missetäterin frei.
Die junge Frau wurde unsanft nach vorn gestoßen und fiel mit den Knien auf den harten Steinboden. Doch sie gab keinen Laut von sich, sondern ließ nur den Kopf hängen, sodass das Haar ihr Gesicht verdeckte. Die Kleider ein Umhang über einem weiten Hemd und engen Beinkleidern hingen ihr in Fetzen vom Leib. Die Wachen hatten sie mit groben Händen durchsucht, alle Taschen aufgerissen und durchwühlt.
»Sie hatte sich als Küchenmagd ausgegeben«, erklärte Joach mit gepresster Stimme.
»Und das ist noch nicht alles«, sagte der Gelehrte, ein alter Mann in einer grob gewebten dunkelbraunen Kutte. Elena erkannte ihn. Es war Bruder Ryn, der Hüter der Bibliothek der Ordensburg. Er trat auf das Mädchen zu und berührte ihren Nacken. »Interessant … sehr interessant … Ich dachte, sie wären längst aufgelöst und in alle Winde zerstreut.«
»Wovon sprichst du, Bruder Ryn?« fragte Er’ril.
»Bei der Durchsuchung entdeckten wir dies.« Der alte Bruder hob sacht das Goldhaar des Mädchens an und zeigte auf eine Stelle hinter dem Ohr. »Kennst du dieses Mal, Er’ril?«
Er’ril trat näher, und Elena folgte ihm. Die junge Frau hatte eine winzige Tätowierung: einen kleinen Dolch, um den sich eine Schlange wickelte. »Ein Gildenzeichen … Sie gehört zur Meuchler Gilde«, erklärte Er’ril und richtete sich mit finsterer Miene auf.
»Wie Cassa Dar?« fragte Elena. Die Sumpfhexe hatte ein ähnliches Mal hinter dem Ohr gehabt. »Aber sie sagte doch, der Sturz von Burg Drakken sei auch das Ende ihrer Gilde gewesen.«
»Einige der Samenkörner, die nach dem Sturz ausgestreut wurden, sind offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen und haben ausgetrieben«, knurrte Er’ril. »Doch was wollte man mit dem Anschlag auf dich erreichen?«
Elena kniete nieder, fasste das Mädchen unter dem Kinn und hob ihren Kopf an. Zweierlei fiel ihr sofort auf: das tiefe Indigoblau ihrer Augen und die Hoffnungslosigkeit, die darin stand. »Wer hat dich geschickt?« fragte sie leise.
Die junge Frau sah sie nur an und schwieg.
»Sie will nicht sprechen«, sagte Joach. »Genau die gleiche Frage haben wir ihr auch schon gestellt.«
Dem Bluterguss auf der Wange und der aufgeplatzten Lippe nach zu urteilen, war man bei diesem ersten Verhör nicht gerade zimperlich gewesen. Elena legte die Stirn in Falten. Das bedauernswerte Geschöpf strahlte keine Feindseligkeit aus, nur tiefe Verzweiflung. Sie kniff die Augen zusammen und fragte ruhig: »Wie heißt du? Deinen Namen darfst du mir doch sicher verraten?«
Verwirrung malte sich in den Zügen der Meuchlerin.
Joach mischte sich ein. »Sie heißt Marta.«
Elena sah zu ihrem Bruder auf, doch eine sanfte Stimme zog sie wieder zu der gefesselten Frau zurück. »Nein, in Wirklichkeit heiße ich Kesla.«
»Kesla?« fragte Elena.
Die junge Frau nickte und flehte hastig: »Ich bitte dich inständig, lass mich gehen. Wenn du mir meinen Dolch zurückgibst, verschwinde ich für immer von hier.«
»Kommt nicht infrage, Meuchlerin«, schnaubte Er’ril. »Du verschwindest allenfalls in unseren Verliesen.«
Kesla achtete nicht auf den Mann aus der Prärie. Ihr Blick blieb auf Elena gerichtet. »Ich wollte dir keinen Schaden zufügen … jedenfalls keinen bleibenden Schaden. Nicht du bist es, gegen die ich kämpfe.«
»Wer ist es dann?«
Das Mädchen starrte vor sich auf die Steine und murmelte: »Der Gildemeister hat mir einen Schwur abgenommen. Meine Lippen sind versiegelt. Ich darf darüber nicht sprechen.«
Elena
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