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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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nicht böswillige Mächte der Küste annahmen und Seehunde und Walrosse vertrieben. Die Hilfe des Schamanen war besonders dann gefragt, wenn die Jäger mit den Umiaks aufs Wasser zogen, denn seine Zauberformeln zum Schutz vor feindseligen Geistern, die der ohnehin schon gefährlichen Jagd Unheil bringen konnten, beruhigte sie. Mitten im tiefsten, kältesten Winter, wenn es so schien, als ob alles Leben von der Erde verschwunden war, schöpfte die Sippe erneut Hoffnung, wenn er die Geister beschwor, sie mögen auf die gefrorene See einwirken und die warmen Winde des Frühlings wieder in Pelek wehen lassen. Keine Gemeinschaft kam ohne einen mächtigen Schamanen aus, und sogar die, die unter ihm zu leiden hatten, räumten ein, dass seine Dienste lebensnotwendig waren. Das Höchste, was manche an Kritik vorbrachten, war: »Wenn er bloß etwas freundlicher wäre.«
    Der Schamane von Pelek hatte eher zufällig erkannt, dass er Macht über andere hatte, und sie dann ausgebaut. Als Junge fühlte er, dass er anders war, denn er konnte in die Zukunft sehen, was seine Kameraden nicht konnten. Auch reagierte er empfindlich auf die Anwesenheit von guten und bösen Kräften. Vor allem aber machte er schon früh die Entdeckung, dass die Welt ein geheimnisvoller Ort war, dass die Wale kommen und gehen, nach Regeln, die kein Mensch von alleine enträtseln konnte, und dass der Tod willkürlich zuschlug. Ihn beschäftigten diese Geheimnisse, so, wie sie jeden beschäftigten, aber er behauptete, sie zu bezwingen.
    Er fing an, glückbringende und wirkungsvolle Gegenstände zu sammeln, durch die er seine Eingebungen auslösen konnte; daher wollte er unbedingt auch in den Besitz von Oogruks Lippenpflock gelangen. Er nähte sich einen Beutel aus Biberpelz aus glänzendem Fell und steckte ausgewählte Steine und ein paar bedeutungsvolle Knochensplitter hinein. Er brachte sich bei, wie ein Vogel zu pfeifen. Er entwickelte seine Beobachtungsgabe, so dass er Zustände und Beziehungen entdeckte, die andere nicht sahen. Und als er schließlich mit sich zufrieden war und davon überzeugt, dass er das Zeug zu einem Schamanen hatte, einem guten Schamanen, da meisterte er auch noch die Kunst, mit verschiedenen Stimmen zu reden und sie sogar mal von hier, mal von dort kommen zu lassen, damit diejenigen, die ihn in ihren Ängsten und Qualen aufsuchten und um Rat baten, auch hören konnten, wie die Geister ihre Probleme einschätzten.
    Er leistete seiner Gemeinschaft gute Dienste. In der Tat schien er nur eine einzige Schwäche zu haben, eine unstillbare Gier nach Macht und noch mehr Macht, und die junge Nukleet war die erste, die diesen schwachen Punkt an ihm entdeckte und benannte. Schon seit längerem hatte sie sich Sorgen wegen der Hilflosigkeit ihres gutmütigen Gatten gegenüber diesem energischen Schamanen gemacht, dann schnell diese Besorgnis auf sich selbst übertragen. Jetzt, da sie die wirkliche Gefahr erkannt hatte, bat sie ihren Vater, mit ihr am Meer entlangzugehen, das sich langsam mit Eis füllte. »Siehst du denn nicht, Vater? Es geht nicht um Oogruk oder um mich. Es ist deine Macht, hinter der er wirklich her ist.«
    Der Häuptling, der, wie in jedem Eskimodorf, eine ziemliche Machtstellung hatte, machte sich über die Befürchtungen seiner Tochter lustig: »Schamanen kümmern sich um die Geister. Häuptlinge kümmern sich um die Jagd.«
    »Wenn diese Trennung weiter bestehen bleibt .«
    »Er wäre hilflos in einem Umiak und käme mit einem Kajak überhaupt nicht zurecht.«
    »Und wenn er Macht über die hätte, die in den Umiaks sitzen?«
    Es hatte keinen Zweck, bei ihrem Vater kam sie nicht weiter. Er war zu sehr damit beschäftigt, genug Nahrung heranzuschaffen, bevor der Winter einsetzte, und in den folgenden Wochen sah sie nur sehr wenig von ihm, denn er und seine Männer waren draußen auf See, wo sich das Eis schon bildete, und zu ihrer und seiner Erleichterung gelang es ihnen, viele fette Seehunde und sogar ein kleines Walross heimzubringen. Der Schamane segnete den Fang und erklärte den Leuten, dass die Jagd deswegen so erfolgreich gewesen wäre, weil man Oogruk diesmal nicht mitgenommen hatte.
    Es war ein harter Winter. Ohne einen getöteten. Wal am Strand musste das kleine Dorf Pelek viele Entbehrungen in Kauf nehmen, und als die lange Nacht des Winters einsetzte, gefror der Küstenstreifen fest, und bis weit draußen auf dem Meer bildete sich eine Eisdecke. Da Pelek an der äußersten Ostspitze der Chukchihalbinsel lag,

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