Alba und Albion
Ausbruch wäre ohne Weiteres möglich gewesen. Sehr stabil sahen die Wände nicht aus. Es zog fürchterlich durch die Ritzen! Brrrr!“
Ich gluckste leise, während ich ihm weiterhin leicht über den Bauch strich.
„Wer wollte dich denn so unbedingt sprechen, daß sie dich sogar im Wald gesucht haben?“
„Du hast wohl gar keine Geduld, was?“ Lachend drückte er mich an seine Brust und gab mir einen schmatzenden Kuß auf die Stirn.
„Alles der Reihe nach. Wo war ich stehengeblieben?“
„Die Kaserne!“
„Aye. Dort wurde ich sofort zum Kommandanten gebracht, der mich freundlich empfing. Er sah eigentlich sehr nett aus, doch man soll ja bekanntlich nicht nach dem Äußeren gehen.“ Er zwickte mich leicht in mein Hinterteil und ich quiekte leise auf, was Robbie mit einem weiteren Schmatz quittierte.
„Wie hat er ausgesehen?“, fragte ich.
„Wer?“
„Na, der Kommandant!“
„Nicht so gut wie ich.“
Wir kicherten beide.
„Aber nun wieder im Ernst. Er ist rund wie ein Ball, einen guten Kopf kleiner als ich, mit enorm dicken Oberschenkeln, wie ich erkennen konnte. Ob er noch Haare auf der Kugel hat, die auf seinem dicken Hals liegt, kann ich nicht sagen. Er hatte eine dieser scheußlichen weißen Perücken auf.“ Um mir seine Beschreibung bildhaft darzustellen, blies Robbie seine Backen auf und begann, leicht zu schielen, worauf hin ich laut auflachen mußte, bis mir fast die Tränen kamen.
„Außerdem kleine, kurze Wurstfingerchen!“ Mit zappelnden Fingerbewegungen kam er auf mich zu, was mich wieder zum Quietschen brachte.
„Und er war ständig rot im Gesicht, als ob er Blähungen hat, die er nicht rauslassen kann!“
Trotz des peinlichen Themas, das ich in meinen Kreisen nie zu hören bekommen hätte, kicherte ich erneut.
„Die blähende Kanonenkugel bat mich, Platz zu nehmen und wollte das Begnadigungsschreiben sehen. Inzwischen merkte ich aber, es war reine Verzögerungstaktik. Er spielte auf Zeit.“
Bedächtig las der Kommandant das Schreiben, während er in seinem Schreibbüro auf und ab ging und sich dabei mit einer Hand über die blaue Seidenweste strich, die seinen enormen Vorbau kleidete.
„So, so. Sie sind aus unseren - sagen wir mal, Diensten - entlassen.“ Sorgsam faltete er die Begnadigung zusammen und gab sie einem finster dreinblickenden Robbie zurück. „Leider kann ich sie noch nicht gehen lassen. Ein Herr wünscht sie zu sehen.“
Robbie’s Geduldsfaden schien nahe am Zerreißen, doch er versuchte, Ruhe zu bewahren. Zum Glück hatten sie ihn in der Nacht nicht behelligt, was er eigentlich vermutete hatte, nachdem er schon Erfahrung mit Gitterstäben gesammelt hatte. Er fühlte sich relativ gut erholt, obwohl er kein Auge zugetan hatte, kreisten seine Gedanken doch ständig um Susanna. Hatte er die richtige Entscheidung getroffen, als er sie alleine im Wald zurück ließ? Und war sie in Sicherheit und wie erging es ihr gerade? Aber die wichtigste Frage für ihn: Hatte Seamus sie rechtzeitig gefunden? Im Moment wollte er sich allerdings nur auf seine Situation konzentrieren, wußte er doch, daß er sich auf seinen Kameraden hundertprozentig verlassen konnte. Was er aufgetragen bekam, führte er aus, auch wenn es sein Leben kosten würde.
Seit er hier festgehalten wurde, hatte er keinen Bissen zu sich genommen, obwohl die Bewirtung eigentlich nicht übel gewesen war. Und sein Magen knurrte fürchterlich. Er grübelte und starrte auf den lehmigen Boden. Wenn er doch nur Genaueres wüßte!
Und endlich wurde er dann am frühen Morgen in Begleitung von zwei schwer bewaffneten Soldaten zu dem runden Kommandanten gebracht und saß bereits den ganzen Vormittag in diesem Zimmer fest. Entnervt straffte Robbie seine Schultern.
„Es wäre mir angenehm, wenn Sie mir endlich den Namen dieses - Herrn sagen könnten“, sagte er grimmig, erhielt aber keine Antwort. Stattdessen winkte die sprechende Kugel auf das beladene Tablett auf dem Tischchen, von dem es verführerisch nach verschiedenen, noch warmen und dampfenden Gebäckteilchen duftete.
„Bitte bedienen Sie sich doch von den Köstlichkeiten“, forderte er Robbie auf und schluckte vernehmlich bei diesem Anblick und sein roter Kopf schien noch eine Farbnuance dunkler zu werden, jedoch ließ er Robbie den Vortritt. Höflicherweise.
„Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Herr eingetroffen ist“, sagte er stattdessen, tupfte sich mit einem Taschentuch den Mund und blickte sehnsüchtig auf die
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