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Alba und Albion

Alba und Albion

Titel: Alba und Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Fentross
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einem Ruck setzte ich mich erneut auf. „Ich habe was? Nach wem gerufen?“
    Verständnislos sah ich sie an. Offenbar schien sie sich nicht sicher, ob sie mir darauf antworten sollte. Verlegen blickte sie auf den Schuh.
„Du hast nach dem Stallburschen gerufen. Das tust du fast jede Nacht. Immer wieder. Bis ich dich wecke.“
    Durchdringend sah sie mich an. Entsetzt und erschüttert starrte ich auf meine Bettdecke und blickte auf den Diamantring, der nun herrlich im Schein der Kerze funkelte. Das konnte nicht sein! War es wirklich schon so schlimm mit mir? Ich war doch verlobt mit Stephen! Nein, das durfte einfach nicht sein!
    „Wie kann denn so was passieren? Hast du dich vielleicht verhört?“
    Mit gequältem Gesicht sah ich zu ihr auf. Sie setzte sich an die Bettkante und strich mir über das Gesicht.
    „Nein. Ich habe noch ganz gute Ohren. Aber ich weiß es auch nicht, wie so was passieren kann, Täubchen. Ich weiß nur, es ist gut, daß du hier in London bist. Ganz nah bei Sir Miller und weit weg von Daronhall.“ Ihre Stimme war sehr beruhigend und sanft, während sie mir die Hand täschtelte.
    Daronhall!
    Die ganzen Wochen hatte ich versucht, nicht daran zu denken, alles zu verdrängen. Verstört griff mir an den Kopf und versuchte, meine Gedanken zu entwirren.
    Stephen.
    Robbie.
    Daronhall.
    Taylorgate.
    Das war einfach zu viel für mich. In  meinem Kopf surrte es wie in einem Bienenstock und die Gedanken schienen sich immer schneller zu drehen. Die ganze Sehnsucht, die ich während der Zeit in London verdrängt hatte, stürzte nun in einem Bruchteil von Sekunden auf mich ein wie ein wildtosender Fluß und riß mich unbarmherzig mit. Schluchzend warf ich mich Mary in die Arme.
    „Bitte, bring’ mich nach Hause. Ich will nach Hause! Ich vermisse meine Familie!“
    Ein Weinkrampf jagte den nächsten und Mary hielt mich die ganze Zeit an ihre Brust gedrückt, streichelte meine Haare und liebkoste meine Stirn, bis ich in ihren Armen endlich wieder einschlief.
    „Wir fahren“, flüsterte sie, „sobald alles gepackt ist. Mach’ dir keine Sorgen. Ich bringe dich nach Hause.“

11
    Schmerzhafte Offenbarungen
    Endlich!
    Nach etlichen Wochen des Verdrängens war ich wieder in meinem geliebten Taylorgate! London war zwar sehr unterhaltsam und amüsant, doch hatte ich meine Freunde, die Pferde und vor allem die ländliche Ruhe vermißt. Als ich Stephen davon unterrichtete, daß ich wieder nach Hause fahren wollte, nahm er es gelassen zur Kenntnis. In ein paar Wochen wäre ich ja seine Frau und dann stets an seiner Seite. Wir verabschiedeten uns mit einem Kuß und der Gewißheit auf das Wiedersehen. Tante Emily wünschte uns eine gute Fahrt und gab mir noch viele Grüße mit auf den Weg. Irgendwie kam es mir so vor, als wenn sie von meinen nächtlichen Rufen bescheid wußte. In Ihrem Blick lag etwas Wissendes, was mir gar nicht behagte.
    „Mein Kind“, sagte sie, als wir uns verabschiedeten, „ich möchte dir einen guten Rat geben. Höre immer auf dein Herz, dann wird dein Leben sehr glücklich werden.“
    Schnell gab sie mir noch einen Kuß auf die Stirn und schloß die große Eingangstüre hinter sich, ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Und hier war ich nun, nahm alles wieder neu in mir auf, stets argwöhnisch beäugt von Mary, die jeden meiner Schritte registrierte. Ich konnte es ihr nicht verdenken, nachdem sie meine geheimsten Träume kannte. Sie blieb stets wachsam. Doch das ließ mich nicht davon abhalten, in den Garten zu schlendern, um ihn wieder zu entdecken, ging vorbei an den Pferdeställen und grüßte Thomas klein und groß, die mich überaus herzlich beglückwünschten, erzählten mir so allerlei Neues, was sich in meiner Abwesenheit in ihren Kreisen ereignet hatte. Doch Robbie erwähnten sie mit keinem Wort. Anscheinend war er nicht mehr in unseren Diensten.
    Die Luft erfrischte mich und ich zog mir meinen Umhang fester um die Schultern, da mein Kleid für diese Jahreszeit eigentlich zu dünn und luftig war. Ich wollte noch nicht in Haus zurückgehen. Es war eine so klare und saubere Luft und ich befürchtete, der Mief und Gestank aus den Gassen der Großstadt hafteten immer noch an mir. Tief atmete ich ein und ging dann langsam wieder zurück zum Haus. Mary huschte hinter den Fenstern vorbei, hatte mich aber noch nicht bemerkt. Durch die erleuchteten Fenster konnte ich meine Mutter beobachten, wie sie den Kopf zurück warf und lachte, als ihr mein Vater irgendetwas ins Ohr

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