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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Muenster
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(und einigen anderen verständnisvollen Lehrkräften) zeitlebens dankbar dafür, und sein Brief an die Günsbacher Schulkinder endet denn auch mit einem herzlichen Wunsch und einer liebevollen Mahnung: „Meine lieben Günsbacher Kinder, ich erzähle euch hier von meiner Schulzeit und wünsche, dass ihr immer Lehrer findet, die Mitleid mit euch haben, und dass ihr ihnen immer dankbar bleibt.“

S TUDENT , V IKAR , S TIFTSDIREKTOR , P RIVATDOZENT
    Ende Oktober 1893 wurde Schweitzer Student. Er schrieb sich an der Universität Straßburg für die Fächer Philosophie und Evangelische Theologie ein. Die Universität stand nach Schweitzers Zeugnis damals in voller Blüte; an ihr herrschte ein frischer, jugendlicher Geist. Ohne auf verkrustete, leblos gewordene Traditionen Rücksicht nehmen zu müssen, versuchten Lehrer und Studierende gemeinsam das Ideal einer neuzeitlichen, weltoffenen, von liberalem Geist beseelten Hochschule zu verwirklichen.
    Am Anfang des Studiums stand für Schweitzer eine ihm lästige, aber unumgängliche Pflichtübung. Weil er auf dem Gymnasium nur sehr spärliche Kenntnisse der hebräischen Sprache erworben hatte, musste er zunächst das Vorexamen in Hebräisch (Hebraicum) absolvieren, das er im Frühjahr 1894 mit Mühe und Not bestand.
    Schwerpunkt seiner theologischen Anfangsstudien war ein Kolleg beim Neutestamentler Heinrich Julius Holtzmann über die Synoptiker (das sind die Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas). In der Philosophie konzentrierte er sich auf die Veranstaltungen seiner beiden Hauptlehrer Wilhelm Windelband und Theobald Ziegler, seinem späteren Doktorvater.
    Am 1. April 1894 musste Schweitzer zum Militärdienst einrücken. Ein verständnisvoller und nachsichtiger Vorgesetzter (Hauptmann Krull) ermöglichte es ihm,nahezu regelmäßig ab elf Uhr die Universität zu besuchen und an der philosophiegeschichtlichen Vorlesung Windelbands teilzunehmen.
    Gleichzeitig mit dem Philosophie- und Theologiestudium begann Schweitzer seinen Orgelunterricht bei dem Pariser Orgelmeister Charles Marie Widor. Ein Onkel Schweitzers, der in Paris als Kaufmann tätig war, hatte großzügig für die Finanzierung der musikalischen Weiterbildung gesorgt. Für Schweitzer war der Unterricht bei Widor von entscheidender Bedeutung. „Widor leitete mich an, meine Technik zu vertiefen und eine vollendete Plastik des Spiels zu erstreben. Zugleich ging mir bei ihm die Bedeutung des Architektonischen in der Musik auf.“ Aus dem anfänglichen Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Widor und Schweitzer sollte sich im Laufe der Zusammenarbeit eine dauerhafte tiefe Freundschaft entwickeln, bei der Schweitzer nicht der Nehmende blieb, sondern zunehmend auch zum Gebenden wurde. Im Rahmen seiner Militärzeit nahm Schweitzer im Herbst 1894 an einem Manöver im Unterelsass teil. In seinem Gepäck befand sich ein griechisches Neues Testament, denn Schweitzer musste sich, um ein Stipendium zu erhalten, auf eine theologische Zwischenprüfung vorbereiten. Als Thema wählte er die Synoptiker und legte damit den Schwerpunkt seines künftigen Theologiestudiums fest: Jesus. Während dieser „Manöverstudien“ begann Schweitzer aufgrund der intensiven Lektüre des zehnten und elften Matthäus-Kapitels an dervon seinem Lehrer Holtzmann vertretenen Markushypothese zu zweifeln. Diese Hypothese besagte, dass das Markusevangelium als ältestes den Evangelisten Matthäus und Lukas als Vorlage gedient habe und deshalb das Wirken Jesu allein aus ihm heraus zu verstehen sei. Schweitzer machte nun die Entdeckung, dass die genannten Kapitel bei Matthäus Hinweise enthielten, die im Markusevangelium nicht zu finden sind, insbesondere die Worte, die Jesus bei der Aussendung der zwölf Jünger gesprochen hat. Zum einen kündigte er ihnen an, dass sie in ihrem Bestreben, seine Botschaft zu verbreiten, Verfolgung zu erleiden hätten. Entgegen dieser Ankündigung geschah ihnen jedoch kein Leid. Zum andern sagte Jesus seinen Jüngern voraus, dass, noch ehe sie in ihrer Missionstätigkeit mit den Städten Israels zu Ende gekommen seien, der Menschensohn erscheinen und damit das messianische Reich anbrechen würde. Doch diese Voraussage hat sich offenkundig nicht erfüllt. Die Erklärung seines Lehrers Holtzmann, die besagten Textstellen seien nachträglich hinzugefügt worden, konnte Schweitzer nicht teilen. Für ihn stand fest, „dass Jesus nicht ein von ihm und den Gläubigen in der natürlichen Welt zu gründendes und zu

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