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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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sonnenbeschienene Lichtung mündete. Man hatte gleichzeitig das Gefühl von Abgeschiedenheit und Weite. Biddy ließ sich zu Boden sinken, und Kate tat dasselbe; sie legte ihre Tüte mit der Weinflasche neben Biddys Korb, so, als wäre Biddy der Anführer in einem Kinderspiel. Sie streckten sich aus, zuerst Biddy, dann Kate, und be-schatteten die Augen mit ihren Armen, um die Schwalben beobachten zu können. Kate dachte: Das ist Schönheit und Frieden. Aber sie sagte nichts; es war an Biddy zu sprechen. Das Schweigen zwischen ihnen war nicht lastend oder eingeschränkt durch Grenzen, die die Zeit setzte. Kate wartete.
    Als Biddy dann sprach, geschah es ohne die Angst und Aggression, die sie noch am Vortag hatte spüren lassen. Kate fühlte sich an einen Roman von E. M. Forster erinnert, in dem Freunde in einem kleinen, engen Tal bei Cambridge zusammenkamen; das kleine, enge Tal war auch ein Symbol, das Charlotte Brontë in ›Villette‹ benutzte.
    Kate wußte nicht, ob sie und Biddy jemals wirklich Freunde werden würden, aber sie war sicher, daß sie sich in der Nähe freundschaftli-cher Gefühle bewegten oder zumindest in der Nähe einer echten Verständigung.
    »Es besteht die Gefahr, daß hier gebaut wird«, sagte Biddy nach einer kleinen Weile. »Wahrscheinlich ist es unvermeidlich. Manchmal denke ich, daß die Erhaltung von Freiräumen, die keinem spezi-ellen Zweck dienen, zu den unwiederbringlich verlorenen Dingen unseres Lebens gehört. Wollen wir essen, solange es diese Wiese noch gibt?« Sie lächelte Kate an und öffnete den Picknickkorb. Kate zog die Weinflasche und den Korkenzieher hervor, den der Mann in dem Weingeschäft ihr gegeben hatte. Sie sah sich beides an und lachte stillvergnügt in sich hinein. Biddy sah fragend auf. Lillian hätte gesagt: Die Schwingungen stimmen.
    »Dieser Korkenzieher erinnert mich an meine Zeit im Radcliffe in Cambridge. Ein paar von uns haben so ein Picknick beim Mt.
    Auburn-Friedhof gemacht – der einzige wiesenähnliche Platz in Cambridge, und der war für die Toten reserviert. Wir hatten einen Korkenzieher wie diesen hier, und der ist entzweigegangen. Eines der Mädchen hatte einen Regenschirm mit – am Morgen hatte es nach Regen ausgesehen –, und wir haben mit der Schirmspitze den Korken in die Flasche gedrückt. Ein Weinkenner hätte sich vor Entsetzen zu den Toten gesellt, aber wir fühlten uns wie nach einem Sieg. Dieser Korkenzieher scheint jedenfalls zu funktionieren.« Der Korken kam mit einem Plopp heraus; Kate hatte aufstehen müssen, um die Flasche zwischen den Knien festzuhalten. Sie goß den Wein in Pappbecher. Beide aßen und tranken schweigend, verscheuchten die Mücken und spürten die Erde unter sich.
    »Alberta hätte das gefallen«, sagte Biddy schließlich. »Wenn ich an sie denke, sehe ich sie irgendwo im Gras ausgestreckt; sie kaut an einem langen Grashalm und lacht.«
    »Ich wünschte, ich hätte sie gekannt«, sagte Kate. »Alles, was ich von ihr höre, klingt so vielsagend und positiv.«
    »Es war natürlich weder immer Sommer, noch war es in Kalifornien; ich war vorher überhaupt noch nie hier.«
    »Es klingt wie Kindheitserinnerungen; da ist immer Sommer«, sagte Kate. »Und ich glaube, für Alberta war der Sommer die schönste Zeit – in ihrer Kindheit.«
    »Sie meinen, in England«, sagte Biddy. »Wo ich früher gelebt habe, gab es ganz in der Nähe eine wundervolle Blutbuche; sehr alt.
    Sie erinnerte Alberta an eine Blutbuche in Oxford. Ich verstehe noch immer nicht, wie Sie dazu gekommen sind, mich mit ihr in Verbindung zu bringen«, fügte sie in verändertem Ton hinzu und bot Kate noch ein Sandwich an. »Wie haben Sie überhaupt von mir gehört?«
    Kate nahm das Sandwich und füllte Wein in die Pappbecher nach. »Das erste Mal hörte ich von Ihnen durch einen absolut abscheulichen Mann namens Stan Wyman. Läutet’s bei diesem Namen bei Ihnen?«
    »Es läutet Gefahr«, sagte Biddy und lächelte vor sich hin. »Er ist der abscheulichste Mann. Er ist besonders abscheulich, weil er gerade in dem Augenblick, in dem Sie sich selbst sagen, daß er in Wirklichkeit gar nicht so schlecht ist, etwas Schreckliches und zugleich Unerwartetes sagt oder tut.«
    »Ich kenne die Art«, sagte Kate. »Als ich ihm begegnete, war er schlichtweg entsetzlich. Ich nehme an, er hat Ihnen schöne Augen gemacht und konnte damit nicht landen.«
    »Ich habe mich bemüht, nicht allzu abweisend zu sein«, sagte Biddy. Kate sah sie an und konnte sich vorstellen,

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