Albertas Schatten
über englische Geisteswissenschaftler fort-setzen konnten. Irgendwann, wahrscheinlich auf dem Weg zur Cafe-teria, haben wir uns einander natürlich auch vorgestellt. Als ich sagte, ich hieße Biddy Heffenreffer, muß das wohl ein entsetzlicher Schock für sie gewesen sein, obwohl ich in dem Moment nichts merkte. Nachdem wir bestellt hatten, fragte sie mich, ob ich verheiratet sei, und ich sagte: Ja, mit Martin Heffenreffer.«
»Sie muß sich gefühlt haben, wie in einem Film der dreißiger Jahre«, sagte Kate.
»Als wir später einmal darüber sprachen, sagte sie, ihre Rolle hätte von Bette Davis gespielt werden müssen. Wie ich war auch sie in ihrer Jugend oft ins Kino gegangen, später dagegen selten. Die Kinder kommen heute mit Namen nach Hause, von denen ich nie gehört habe, und ich denke: Das ist anders als damals. Meine Eltern hatten bestimmt von Bette Davis gehört. Das Kino ist heute viel generationsbezogener.«
»Da wir gerade von Generationen sprechen: Sie wollten nicht Ihren Mädchennamen behalten?« fragte Kate.
»Ich glaube, dafür war es damals etwas zu früh. Heute wünschte ich, ich hätte es getan. Schon allein aus dem Grund, daß Martin und ich den gleichen Beruf haben, wäre es viel besser gewesen. Ich frage mich, wie lange es in diesem Fall wohl gedauert hätte, bis Alberta und ich die Wahrheit herausgefunden hätten. Sehen Sie, wir mochten uns von Anfang an. Es war seltsam, wirklich. Keine von uns hatte viele Freunde – Freundinnen, besser gesagt, die Interesse an ideellen Dingen hatten und daran, die etablierten Grenzen im Leben einer Frau neu zu überdenken.«
»Nun, natürlich hat Alberta nicht versucht, mit mir in Verbindung zu bleiben. Aber ich wußte ja nichts von ihrer Beziehung zu Martin. Ich sehnte mich nach einer Freundin – die meisten Frauen in meiner Umgebung waren nett, aber sie waren anders als ich; sie waren nicht auf die gleiche Art neugierig wie ich; sie akzeptierten, was man ihnen sagte und schwatzten zuviel über häusliche Dinge.
Ich rief sie an. Sie hat mir ihre Telefonnummer gegeben, als ich sie darum gebeten hatte; es war ihr kein überzeugender Grund eingefallen, um das ablehnen zu können. Später haben wir über ihre Gefühle in jenem Moment gesprochen. Das Schwierige an der Situation war natürlich, daß sie sich über meine Gefühle Gedanken machte; an das Verrückte ihrer eigenen Lage dachte sie gar nicht, nur daran, daß sie zwei Menschen besonders mochte, die miteinander verheiratet waren. Schließlich ging sie den einzigen Weg, den eine Alberta gehen konnte: Sie erzählte mir die Wahrheit. Bis dahin hatten wir uns schon eine Reihe von Malen gesehen, und ich hatte ihr angeboten, ein paar Texte zu lesen, die sie geschrieben hatte, und sie hatte sich meine Collegeprobleme angehört und mich bestärkt und mir Mut gemacht. Vielleicht verstehen Sie, wie wichtig diese Beziehung für mich war; ich nehme an, viele verstehen das nicht.«
»Weil sie zu jung sind«, sagte Kate. »Wie selten Freundinnen sind – ich meine Freundinnen, die sich mehr in der Öffentlichkeit bewegen und über mehr als Kochrezepte und Sauberkeitserziehung und Kleidung reden können –, das wissen nur die wenigen von uns, die damals nur männliche Freunde hatten. Den Frauen, die die Frau-enbewegung nur immer höhnisch belächeln, scheint es nichts aus-zumachen, nur männliche Freunde zu haben. Vielleicht betrachten sie Frauenfreundschaften, wie es sie seit den siebziger Jahren gibt, auch als selbstverständlich. Wer spricht schon von dem Unterschied zwischen einem uneingeschränkt männerorientierten Leben und einem Leben, in dem die Liebe zum Mann zwar noch möglich ist, aber nicht den Sinn des Lebens ausmacht? Ja, ich kann mir vorstellen, was die Begegnung mit Alberta bedeutet hat. Aber wie hat sie reagiert?«
Biddy lachte. »Das ist ganz einfach gesagt: Sie hat gelernt, das zu akzeptieren. Es hat eine Ewigkeit gedauert, aber schließlich ging es.
Weil es keinen Zweifel daran gab, was ich wollte, oder was Martin wollte und natürlich auch was sie selbst wollte. Ich weiß, einen Mann zu teilen, gilt als unmöglich, es sei denn, man lebt in einem Harem. Alle Märchen und Sagen behaupten das. Aber ich glaube, das sind lauter von Männern erfundene Geschichten, oder sie haben einen anderen Sinn. Martin und ich waren gute Eltern und, so komisch das auch den meisten Leuten vorkommen mag, wir waren gute Ehepartner. Alberta wollte einen Teilzeit-Mann; sie war absolut nicht an häuslichen
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