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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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dachte: Jeden Moment erscheint ein Photograph von irgendeiner Zeitschrift für die moderne Frau. Sie hörte Biddy den Kaffee mahlen, und aus einem Gefühl tiefer Zufriedenheit sagte sie Daffodil, wie sehr es ihr gefiele.
    »Ich nehme an, es gibt nichts Neues über Alberta, da Sie mir versprochen hatten, mich auf dem laufenden zu halten«, sagte Biddy, als sie mit dem Kaffee hereinkam. »Nehmen Sie Milch?«
    »Nein danke. ›Nichts Neues‹, das klingt positiver, als ich angesichts der fehlenden Fortschritte wirklich empfinde. Wie geht es den Kindern?«
    »Gut, danke, sie sind froh, wieder hier zu sein. Übrigens sind sie über Nacht bei Freunden, so daß wir uns nicht um sie kümmern müssen. Wir haben viel Zeit.«
    »Wahrscheinlich werde ich hier mit Daffodil sitzen, bis Sie mich hinauswerfen. Es ist wunderbar, in einem Haus wie diesem so zu Besuch sein zu können; dennoch weiß ich, ich wäre an jedem Platz außerhalb von New York unglücklich. Sitzen Sie mit Daffodil so vor dem Feuer, wenn Sie allein sind?«
    »Natürlich nicht. Ich mache nur Feuer, wenn Besuch kommt.«
    »Ich wünschte, Sie wären keine Spezialistin für die Literatur der Renaissance«, sagte Kate. »Ich fühle mich immer so unwissend und entsetzlich modern in der Gesellschaft von Menschen, die sich mit früheren Epochen beschäftigen, wenn ich auch glaube, daß ein Ex-perte für das Mittelalter noch schlimmer wäre.«
    »Ich habe bei Martin ein bißchen über moderne Literatur aufgeschnappt, wenn Ihnen das hilft«, sagte Biddy. »Das eigentliche Problem ist, daß die Wissenschaftler der Moderne dazu neigen, das Leben in früheren Zeiten als zu leicht anzusehen: Keine Ängste, kein Infragestellen von Gott, eine Welt, in der irgendwie alles in Ordnung ist und in der keine wirkliche Bedrohung herrscht.«
    »Stimmt das denn nicht?«
    »Nein, es stimmt nicht. Ich denke, daß das Menschsein zu allen Zeiten annähernd dieselbe Bedeutung hatte. Und wenn ein Modernist sagt: ›Aber damals hatte man doch keine Atomwaffen, die die Welt bedrohten‹, so antworte ich: ›Aber dennoch glaubte man, jeden Augenblick könnte die Welt untergehen – durch die Pest, Flutkatastro-phen, Sonnenfinsternis und Kriege.‹ Das ist ein besonders erbauli-ches Thema.«
    »Aber sicherlich kann man davon ausgehen, daß es für jemanden in der Renaissance leichter war, unterzutauchen, als heute«, sagte Kate. »Angeblich ist es heutzutage nicht allzu leicht zu verschwinden.«
    »Ich habe viel darüber nachgedacht«, sagte Biddy. »Ich halte es für genauso leicht, besonders für jemanden, dessen Leben nicht Tag für Tag nachvollziehbar ist.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen. So weit wir wissen, konnte Albertas Leben nur für die Zeit genau verfolgt werden, die sie auf der Farm verbracht hat.«
    »Kate, wir müssen etwas tun«, sagte Biddy. »Lassen Sie mich Ihnen helfen. Ich habe den Verlust von Alberta hingenommen, als Martin alles über uns herausgefunden hatte; wir konnten uns nicht weiter heimlich treffen und in Verbindung bleiben, wie ein schuldiges Paar. Aber jetzt scheint sie unauffindbar zu sein, und das ist etwas anderes. Anscheinend kann ich nur noch daran denken. Oh ja, ich mache meine Arbeit, und mein Leben läuft weiter, aber diese Gedanken sind allgegenwärtig, direkt unter der Oberfläche.«
    »Ich weiß, was Sie empfinden, dabei bin ich Alberta nie begegnet oder hatte sie gar zur Freundin. Aber bedenken Sie, Biddy, Alberta war sehr unstet. Ich gebe zu, daß es kaum ihrem Wesen entspricht, diese Farmersleute im Stich zu lassen, aber wahrscheinlich wird sie zwingende Gründe gehabt haben. Sie hat sehr zurückgezogen gelebt, verborgen vor neugierigen Blicken und Fragen; nicht, weil sie etwas zu verbergen gehabt hat, sondern weil sie eine Einzelgängerin war.
    Sie kann sich an einem x-beliebigen Ort aufhalten, und sie kann täglich wieder auftauchen. Wir könnten es mit einer Zeitungsannon-ce versuchen in einer etwas größeren Zeitung als der ›MLA Newsletter‹.«

    Als Kate gehen wollte, begleiteten sie Biddy und Daffodil zu ihrem Wagen. Kate hatte sich schon verabschiedet und den Motor angelassen, als sich Biddy zum Fenster hineinbeugte. Sie sagte:
    »Kate, sagen Sie mir die Wahrheit. Glauben Sie in Ihrem Innersten daran, daß Alberta noch am Leben ist?«
    Kate starrte eine Weile vor sich hin. Dann sah sie Biddy an. »Es ist nicht fair, mir diese Frage zu stellen, wenn ich gerade abfahren will«, sagte sie. »Aber ich kann es verstehen; Sie möchten mit meiner

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