Albspargel
umgebracht.«
»Und das kann man nicht oft genug sagen: Wo der Fideler hinkommt, gibt es Leichen. Sie, Sie wissen gar nichts und gehen am besten gleich wieder zurück nach Stuttgart.«
»Halt’s Maul!«, schrien andere.
Dr. Fideler, ein Verbrecher?, fragte sich Dr. Hagenbach mit Schweiß auf der Stirn. Die Bauern schienen verrückt geworden zu sein.
Der Wirt zog Dr. Hagenbach in eine der Nebenstuben.
»Es ist das Windrad«, wusste Herr Mazzuoli, »viele wollen es nicht. Deshalb wird der wichtigste Investor umgebracht. Dr. Fideler war zu zögerlich, jetzt hängen sie ihm den Mord an und den alten gleich mit.«
»Den alten –? Noch einen?«
»Aber das Windrad wird doch trotzdem kommen, nicht wahr?«
Mazzuoli sprach zu Dr. Hagenbach, als sei der bereits an meine Stelle getreten.
Dr. Hagenbach war verlegen. »Das Gutachten ist nicht meine Entscheidung«, sagte er behutsam, »es ist die Entscheidung von Herrn Dr. Fideler. Ich will und darf nichts vorwegnehmen.«
»Aber Sie haben doch Einfluss auf ihn, nicht?«, betonte der Wirt.
Am nächsten Tag saß ich mit Dr. Hagenbach über Berechnungen, die ich für abgeschlossen gehalten hatte. Waren mir Fehler unterlaufen? Es schien so. Die Konzentration war in den letzten Tagen nicht die beste gewesen.
Dr. Hagenbach verstand das, wie er mir mit seiner sanften Stimme verriet, nur zu gut. Vielleicht freute er sich aber auch, denn er machte sich Hoffnung auf meine Nachfolge, wie er mir vor einem halben Jahr offen mitgeteilt hatte. Diese hatte bis jetzt nur kommissarisch stattgefunden.
Ich hatte ohnehin den Verdacht, dass er nicht nur mit kollegialen Absichten nach Tigerfeld geschickt worden war. In meiner Tätigkeit, die ja in Stuttgart dank der Einspeisungen in die Computer nachvollzogen werden konnte, musste sich eine eigenartige Unsicherheit, ja Unentschlossenheit oder gar Verschleppung verraten, die man bei mir nicht gewohnt war. Ich hatte diese Unsicherheit ja von Anfang an gespürt und merkte erst jetzt, dass ich seit Tagen einen Kampf dagegen geführt hatte und trotz großer Mühe offenbar nicht viel hatte ausrichten können.
Kurz, meine Arbeit dauerte ihnen zu lange, und sie hatten Dr. Hagenbach vor allem geschickt, um die Sache endlich zu einem Abschluss zu bringen. Sicher hatte auch das Landratsamt in Reutlingen schon Dampf gemacht. Denn politisch waren die Verantwortlichen in den Behörden und im Kreisrat ja ebenfalls unter Druck.
Wir debattierten über die Interpretation einiger Messungen. Dr. Hagenbach argumentierte sehr vorsichtig, ja fast erstaunt. Er hatte eine hohe Meinung von mir, das wurde deutlich, und sein Ton war zurückhaltend und respektvoll bis zur Unterwürfigkeit, was ich nicht leiden kann. Dennoch hatte das, was er vorbrachte, Hand und Fuß, und ich gab es schließlich auch zu, worüber er nahezu gerührt war.
Ich wusste nur wenig von ihm. Allerdings schätzte ich seine wissenschaftlichen Leistungen und hatte an seiner Anstellung im Institut mitgewirkt. Unsere Debatte aber war belastet: Immer wieder brach der junge Wissenschaftler unser Fachgespräch ab, ließ den Blick wie versonnen auf meiner Stirne ruhen und fing irgendwann an zu stottern, wenn er ein komplizierteres Argument vortrug. Oder er begann plötzlich umständlich seine Brille zu putzen. War er weit- oder kurzsichtig? Ich jedenfalls war beides: auf einem Auge weit-, auf dem anderen kurzsichtig; weshalb ich nie eine Brille brauchen würde, wie mir einmal ein Augenarzt versicherte. Das Gehirn sucht sich immer das richtige Bild heraus.
Selbstverständlich würde er nach Stuttgart berichten müssen, und ich musste damit rechnen, dass ich schleunigst abberufen würde. Vielleicht würde Dr. Hagenbach schon hier oben meine Nachfolge antreten.
Fritz Pocherd. Meine Erinnerungen wurden durch das Verbrechen zur Trauer. Das Verhältnis zwischen uns war immer ein besonderes gewesen. Er war zehn Jahre jünger als ich, und als Kind hatte ich ihn kaum wahrgenommen, erst als er auf die zwanzig zuging und ich auf die dreißig. Er war jung und forderte Anerkennung: Sein Vater war der reichste Bauer im Ort, sein Mundwerk das größte, seine Kleidung die auffälligste, sein Benehmen das provokanteste. Aber er war auch der Fleißigste auf dem Hof seines Vaters. Er war der Gescheiteste in der Schule.
Dagegen nun ich: aus dem Unterland, was mir immer eine besondere Stellung verschaffte. Nicht auffällig mit dem Mundwerk, aber zehn Jahre älter und auch nicht gerade dumm. So bildete auch ich einen
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