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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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glatte Haut war bei dem Wort Kollege feuerrot geworden.

Die alte Mechthild war die Erste, die ich nach zwanzig Jahren in Tigerfeld wiedergesehen hatte. Jetzt sah ich sie erneut, immer noch vor der
Krone
. Sie beigte Holz an des Kronenwirts Holzvorrat, wie ich sie in der Erinnerung ein Leben lang habe Holzscheite beigen sehen. Ein verhutzeltes, uraltes Weiblein, sie schien viel kleiner als früher. Da kniete die alte Frau auf einem gefalteten Sack, fast ein Jahrhundert in den Knien, im Rücken, in den Knochen und in jeder Falte des Gesichts.
    Es war ein seltsames Gesicht: puppenhaft rund im weißen Kopftuch; zerfurcht und zerknittert, durchzogen von unzähligen feinsten Falten und Fältchen, von Krakelee überformt wie ein altes Bild. Auffallend groß ihre hellwachen Augen: ein über neunzigjähriges Kindergesicht. Freilich mit eingefallenem, zahnlosem Mund.
    »So, Mechthild, immer fleißig.«
    »Muaß sei«, sagte sie, »wenn’s ao nemme richtig gao will mit de Knui ond meim Kreiz.«
[Übersetzung ab Seite 245 ]
    »Man sollte sich doch aber auch einmal ausruhen, das hat man doch verdient im Alter.«
    »Jo, sell wär schao reacht. Aber i ka no lang ausgruaba, aufem Kirchhof sell dana.« Sie wies hinüber zur Wehrmauer der Kirche.
    »Du beigst weiter und weiter?«
    »Emmer schaffa, d’ Mechthild muaß emmer schaffa. Ond sell isch emmer no besser as ’s Geld futtra, mo mr’s nemme kriagt, dass ’s isch wia futgschmissa.«
    »Geld forttragen?«
    »I will nex gsait hao; se sagat em Flecka, mr soll’s et weitersaga.«
    Ich war hellhörig. »Was darfst du nicht weitersagen?«
    Sie lächelte ihr verschmitztes zahnloses Kinderlachen. »Ha, i hao’s doch grad gsait, mr soll’s doch et saga.«
    »Mir kannst du es doch sagen, Mechthild, wir beiden Alten kennen uns doch nun schon so lange.«
    »I kenn di no as en ganz kloina Schuirapurzler ausam Onderland, a Dirftele, gloa ond dirr wia nan ausam Nescht gfallener Schpatz.« Ihr Blick lag prüfend auf meinem Gesicht. »Ghenkt hot ’r se, dr Graßners Franz, ond i hao nen assa gloas Butzele schao auffam Arm ghet.«
    Mein ganzer Körper spannte sich bei dem Namen Graßner. »Ich weiß, ich habe davon gehört. Warum macht einer so etwas Schreckliches?«
    »Jo, morom? Wenn’s oim halt z’ wohl wurd, ond wenn oim dr Deifl ao glei en Lompa schickt.«
    »Schlimm«, sagte ich, »es geht mich ja nichts an. Jeder kann machen, was er will.« Ich sagte es bewusst und wusste, was jetzt kam.
    »Äaba et«, sagte sie fast zornig, »äaba et, du derscht et emmr macha, wa da witt. Du dersch de et aufhänga ond ao et zaischt dr Hof verlompa en Lendau.«
    »In Lindau?«
    »Jo, em Kaseno, auf dr Schbielbank, do isch ’r halt emmer nagfahra, dr Franz. Ond do hend se ’s Geld vrdao.«
    »Haben sie das Geld vertan? War noch jemand dabei?«
    Ich sah Mordgründe aufziehen in Tigerfeld, zahlreich wie am Himmel die Zinnen einer Kaltfront.
    Aber ich wurde enttäuscht. »Des kasch dr denka, dass i dir des sag! Noi, noi. Ao dir et. Do bischt an dr lätz Adress.« Sie schien zu überlegen. »Jetz isch ao zschpot.«
    Zu spät. Ich bezog dieses »zu spät« nur auf den Tod Graßners. Ein besserer Ermittler hätte aus dieser letzten Bemerkung mehr herausgehört als ich. Aber das wurde mir erst später klar, fast zu spät.
    »Alles verspielt?«, fragte ich.
    »Älles verschpielt, fascht äll vierzea Tag. Sei Weib, d’ Marie, hod mr’s gsait. Dui isch jo noch bald krank wora vor Jomer, ond dr Franz hot se schliaßle ghenkt endr Obed vo seira Schuier. Abr du därsch des älls neamad saga.«
    Mechthild wusste alles im Ort. Sie kam bei den Bauern herum – hier aufräumen, dort Holz beigen und immer noch ein Schwätzchen dazu. Sie war bereits vor zwanzig Jahren die wichtigste Zeugin gewesen, aber das war allen entgangen,der ganzen Soko. Bemerkt hatte es nur der Dorfpolizist Johannes Glimpfle aus Huldstetten. Aber den Begleiter von Graßner würde sie nicht nennen. Das war aussichtslos. Ich brauchte es gar nicht noch einmal zu versuchen.
    Da kniete das Weiblein auf dem gefalteten Sack, wieder ganz der Arbeit zugekehrt, der Holzbeige des Kronenwirts, einem Wunder an Präzision, jedes einzelne der vielen Tausend Hölzer, von denen es keine zwei gleichen gibt, ohne Lücke eingepasst; die akkurate Rundung an der vorderen Ecke zur B 312 von dieser Baumeisterin geformt, eben und glatt wie das Außenwerk einer barocken Bastion.
    »Wie machst du das, Mechthild, dass alles so exakt und sauber wird?«
    »Ganz

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