Albtraum
„Aber wieso wusstest du, was zu tun ist?“
Er lächelte auf diese besondere Art mit leicht schiefem Mund, was ihren Puls stets schneller schlagen ließ. „So schwierig ist das nicht, Kate. Man nehme eine Flasche, fülle sie, erwärme den Inhalt und gebe sie dem Baby.“ Sie lachte, doch es klang nervös. Er betrachtete sie stirnrunzelnd. „Alles in Ordnung mit dir?“
„Ja, ich …“ Sie legte eine Hand auf die Brust und atmete tief durch. „Ich wachte auf und … die Kleine war weg.“
Sie ging zum Tisch und setzte sich, immer noch zitternd, auf den nächsten Stuhl. „Ich dachte … ich dachte das Schlimmste.“
„Tut mir Leid, Kate. Ich wollte dich nicht beunruhigen. Unter den gegebenen Umständen hielt ich es für das Beste …“
Sie brachte ihn mit erhobener Ha nd zum Schweigen. „Nein, entschuldige dich bitte nicht. Ich bin dir dankbar, dass du mich hast schlafen lassen. Richard hat nie …“ Sie verkniff sich den Rest des Satzes, zwang sich zu einem Lächeln und streckte die Arme aus. „Da ich auf bin, kann ich sie nehmen.“
„Ehrlich gesagt, macht es mir Spaß. Hast du etwas dagegen, wenn ich sie vorerst behalte?“
Sie verneinte und schluckte trocken. „Kaffee?“ fragte sie. „In der Kanne. Tassen sind im Hängeschrank darüber.“ „Danke.“ Sie holte sich einen Becher aus dem Schrank, offenbar ein Werbeartikel für „Dead Drop“, denn der Henkel war wie eine Waffe geformt. Lukes Name, der Buchtitel und das Datum der Veröffentlichung waren in Rot auf den stahlgrauen Untergrund gedruckt. „Netter Becher.“
„Danke. Prämie des Verlages.“
Sie füllte den Becher mit Kaffee, gab Sahne hinzu und trank. „Mm, das ist Kona, oder?“
„Stimmt.“ Lächelnd er klärte er: „Ich wurde geradezu süchtig danach, als ich wegen der Recherchen für ‚Last Dance‘ auf Hawaii war. Unter der Serviette dort ist übrigens Schinken, und auf dem Schneidebrett liegt selbst gebackenes Rosinenbrot. Greif zu.“
Plötzlich hungrig, folgte sie seiner Aufforderung. „Wann hast du dich zum Koch entwickelt?“ Sie kam mit Becher und Teller an den Tisch zurück.
„Lebe nur lange genug allein, und Big Macs und Pizzas hängen dir zum Halse heraus.“ Wieder dieses schiefe Lächeln. „Mein Repertoire ist zwar begrenzt, aber ich habe mir gedacht, dass du Hunger hast.“
„Bis unter die Arme.“ Kate aß einen Bissen Brot. „Ich liebe selbst gebackenes Brot. Besitzt du eine Maschine?“
„Ja.“ Emma wand sich auf seinem Arm. Er zog ihr den Sauger aus dem Mund, hielt die Flasche hoch, um zu prüfen, ob sie leer war, und schob ihr den Sauger wieder in den Mund. Emma nuckelte gierig weiter. „Meine kleine Schwester hat sie mir letzte Weihnachten geschenkt.“
Kate mochte kaum glauben, dass sie hier saßen und über so banale Dinge wie Brotbackmaschinen und Kaffeebohnen redeten. Nur vor Minuten hatte sie entsetzt befürchtet, John Powers habe Emma entführt.
„Hast du gut geschlafen?“
„Erstaunlich gut.“ Irgendwann während der Nacht hatten die Albträume aufgehört, und sie hatte sich sicher und geborgen gefühlt. „Und du?“
„Großartig, wie ein Baby.“
Emma schlürfte lautstark den Rest aus der Flasche. Luke zog ihr den Sauger aus dem Mund, hielt die Kleine an die Schulter und begann ihr auf den Rücken zu klopfen. Kate beobachtet erstaunt, wie selbstverständlich er das alles machte, und sagte es ihm.
„Ich habe fünf jüngere Geschwister. Drei davon haben inzwischen eigene Kinder. Ich habe ein Gutteil meines Lebens damit verbracht, Babys zu füttern.“
„Ich hatte ganz vergessen, dass du aus einer großen Familie stammst.“
Emma machte ein lautes Bäuerchen, und Luke sah Kate lachend an. „Sehr ladylike“, spottete er.
Kate nahm ihm amüsiert die Kleine ab. „Das kann sie noch besser. Sie ist absolut schamlos. Ich werde ihr die Windeln wechseln, vermutlich ist sie pitschnass.“
„Ist schon erledigt.“ Luke übergab ihr Emma. „Bevor du kamst, hat sie frische Windeln bekommen.“ Er schenkte sich an der Kanne seinen Becher wieder voll und drehte sich ernst zu Kate um. „Wir müssen reden, Kate. Ich habe über deine Situation nachgedacht, und ich meine, du und Julianna, ihr geht die Sache falsch an.“
„Wieso?“
Er trank von seinem Kaffee und schien seine Gedanken zu ordnen. Kate wartete und hoffte, er habe über Nacht einen genialen Einfall gehabt, wie John Powers zu überlisten sei.
„Ich glaube, wenn ihr weiterhin flüchtet, hört ihr nie mehr auf
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