Albtraum
Selbstmitleid, stand er auf und ging zum Fenster. Juliannas Straße war dunkel und leer. Da keine Straßenbeleuchtung brannte, merkte er erst, wie spät es sein musste. Ob Kate noch wach war und sich Sorgen machte?
Julianna trat hinter ihn. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und begann seine verspannten Muskeln zu massieren. Es fühlte sich herrlich an, und er stöhnte leise auf vor Behagen.
„Ich sollte gehen“, sagte er leise, obwohl es das Letzte war, was er wirklich wollte.
„Ja.“
Er drehte sich um und sah ihr ins Gesicht. „Danke für heute Nacht. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ich Sie nicht gehabt hätte, um mich auszusprechen.“
Sie lächelte traurig. „Wie könnte Kate Sie nicht lieben? Sie sind alles, was eine Frau …“ Die Stimme versagte ihr, und sie wandte rasch den Blick ab.
„Julianna?“ Er legte ihr eine Hand an die Wange. „Sehen Sie mich an.“
Sie tat es, und er sah, dass sie weinte. „Was ist los, Kleines?“ fragte er erstaunt.
Sie wich einen Schritt zurück. „Nichts. Gehen Sie einfach.
“ Er ergriff ihre Hand und hinderte sie daran, sich ihm zu entziehen. „Sie weinen. Etwas ist nicht in Ordnung.“
Eine einzelne Träne rollte ihr über die Wange. „Es ist nicht recht, wenn ich es sage. Sie sind ein verheirateter Mann.“
„Ich gehe nicht eher, bis Sie mir sagen, was los ist.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände. „Reden Sie mit mir, Julianna.“
Sie holte schluchzend Atem und rieb ihre Wange an seiner Handfläche. „Mein ganzes Leben habe ich auf einen Mann wie Sie gewartet. Und Kate … es ist, als würde sie Sie zurückstoßen … sieht sie … sieht sie denn nicht, dass Sie etwas Besonderes sind?“
Ein Gefühl großer Zärtlichkeit für diese junge Frau durchströmte ihn. „Liebes.“ Der Kosename kam ihm ganz natürlich über die Lippen. Sie sah ihm in die Augen, und sein Herz quoll über. In ihrem Blick las er Sehnsucht – und Bedauern darüber, dass es nicht sein konnte.
In diesem Moment konnte er nur noch daran denken, wie sich ihre Lippen anfühlen, wie sie schmecken würden, wenn er sie küsste. Er neigte den Kopf und presste den Mund zart auf ihren.
Ihre Lippen bebten und öffneten sich. Leise aufstöhnend, küsste er sie leidenschaftlicher, eroberte und erkundete ihren Mund mit der Zunge.
Sie umschlang einen Moment seine Schultern, dann legte sie die Handflächen gegen seine Brust und schob ihn zurück.
„Nein, Richard.“ Sie atmete tief durch. „Das dürfen wir nicht. Sie haben Frau und Kind.“
Er rang um Fassung, bemüht, das innere Gleichgewicht zurückzugewinnen, das ihn nur selten verließ.
„Ich würde alles geben, um mit Ihnen zusammen zu sein“, sagte sie leise. „Aber nicht so. Sie würden sich später hassen. Und das könnte ich nicht ertragen.“
„Julianna …“
„Nein.“ Sie legte ihm einen Finger auf den Mund. „Sagen Sie jetzt nichts, Richard. Gehen Sie einfach heim zu Kate und zu Ihrer kleinen Tochter.“
Er wusste, dass sie Recht hatte. Er hatte Verantwortung gegenüber seiner Familie. Trotzdem war er hin und her gerissen. Sie war so süß, so verletzlich, das berührte ihn tief.
Er öffnete den Mund, ohne jedoch zu wissen, was er ihr sagen sollte. In der Tat, er war ein verheirateter Mann.
Mit einem letzten Blick ging er davon.
41. KAPITEL
Lange, nachdem Richard gegangen war, saß Julianna noch im Dunkeln und durchlebte erneut seinen Besuch und seinen Kuss. Sie legte eine Hand auf den Mund und spürte den Druck seiner Lippen, heiß, forschend, verzweifelt.
Sie hatte ihn heftig begehrt. Ihn zurückzuweisen, war ihr unendlich schwer gefallen. Sie hatte sich dazu nur durchringen können, weil sie sich an die Ratschläge ihrer Mutter hielt, wie man einen Mann eroberte: ihn langsam einkreisen, sich nie zu früh auf Sex einlassen. Nichts schickt ihn schneller zu seiner Frau zurück als Schuldgefühle. Ein Mann muss das Gefühl haben, sein Verhalten sei gerechtfertigt, auch wenn er betrügt. Er muss sich voller Selbstgerechtigkeit sagen können, dass er so lange standgehalten hat, wie es menschenmöglich war.
Julianna schmunzelte. Richard war einmal gestrauchelt und würde es wieder tun und dabei immer stärker in ihren Bann geraten. Wie könnte es anders sein, jetzt, da er einen Vorgeschmack darauf bekommen hatte, wie es sein würde. Kates flüchtige Küsse und der eilige Sex würden ihn immer weniger zufrieden stellen.
Außerdem konnte sie einfach nicht verlieren. Sie hatte das
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