Alcatraz und die dunkle Bibliothek

verunstaltete. Erstaunlicherweise war kein Blut zu sehen.
    »Wie gut, dass ich im Moment nicht austreten muss«, stellte Grandpa Smedry fröhlich fest. »Das wäre doch ziemlich peinlich, nicht wahr?«
    »Wir müssen etwas unternehmen«, sagte Bastille drängend. »Er ist sehr mächtig, aber auch er kann den Schmerz – und die Wunden – nicht unbegrenzt zurückhalten.«
    »Aber wir können nicht gegen einen Dunklen Okulator antreten«, gab Sing zu bedenken. »Und erst recht nicht ohne dein Schwert, Bastille.«
    Ich stand aus der Hocke auf. »Dann müssen wir ihn eben dazu bringen, dass er Grandpa Smedry in Ruhe lässt. Kommt mit!« Damit wandte ich mich ab und rannte den Gang hinunter. Bastille und Sing hetzten hinter mir her.
    »Was hast du vor, Alcatraz?«, fragte Bastille, sobald wir genug Abstand zwischen uns und die Folterkammer gebracht hatten.
    »Wir brauchen ein Ablenkungsmanöver«, erklärte ich. »Irgendetwas, das dafür sorgt, dass Blackburn lange genug beschäftigt ist, damit wir da rein kommen und Grandpa Smedry retten können. Und ich habe da auch schon eine Idee.«
    Bastille wollte mir widersprechen, aber in diesem Moment fiel Sing der Länge nach hin. Bastille und ich duckten uns gerade noch rechtzeitig, als zwei mit Schwertern bewaffnete, Fliege tragende Bibliothekarssoldaten auf der Treppe auftauchten. Mit einem Fluch sprang Bastille auf und flog mit crystinischer Geschwindigkeit auf sie zu.
    Bei der Treppe, auf der die beiden erschienen waren, handelte es sich um dieselbe Treppe, die wir wenige Stunden zuvor erklommen hatten. Das bedeutete, dass die Tür, die ich suchte …
    Ich warf mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die Tür, drückte sie auf und betrat einen Raum voller Dinosaurier in Käfigen.
    »Guten Tag, der Herr«, begrüßte mich Charles. »Wie ich sehe, weilen Sie noch immer unter den Lebenden. Welch angenehme Überraschung!«
    »Haben Sie uns etwas zu essen mitgebracht?«, fragte der Tyrannosaurus hoffnungsvoll.
    »Nein, aber etwas Besseres«, erwiderte ich, lief zu den Käfigen und nahm mir ein Schloss nach dem anderen vor. Sie öffneten sich bei der kleinsten Berührung, die Mechanismen in ihrem Inneren brachen widerstandslos und hatten meinem Talent nichts entgegenzusetzen.
    »Was sind Sie doch für ein feiner Kerl!«, freute sich Charles. Die versammelten zwanzig Dinosaurier stimmten ihm lautstark und begeistert zu.
    »Okay, ihr seid frei«, sagte ich schnell. »Aber dafür müsst ihr mir einen Gefallen tun. Könnt ihr im Erdgeschoss ein bisschen Unfrieden stiften?«
    »Aber natürlich, mein werter Freund!«, versprach Charles sofort. »Wir sind ganz ausgezeichnet darin, Unfrieden zu stiften, nicht wahr, George?«
    »So ist es, so ist es in der Tat!«, bestätigte der Stegosaurus.
    Ich trat also zur Seite und wedelte mit den Armen, um so eine wilde Horde kleinwüchsiger Dinosaurier auf die Welt loszulassen. Aber natürlich verließen sie geordnet und ohne Hast den Raum, durch und durch Gentlemen – schließlich weiß jeder, dass die Briten alle kultiviert, besonnen und wohlerzogen sind. Sogar wenn es sich um eine Horde Dinosaurier handelt.
    Ich ging hinter ihnen her und versuchte, sie zu einem wilden Wutausbruch anzustacheln – oder zumindest zu einer leichten Verstimmtheit.
    »Das ist dein Plan?«, fragte Bastille, die immer noch die beiden bewusstlosen Bibliothekare bewachte.
    »Sie werden schon für genug Ablenkung sorgen«, rechtfertigte ich mich. »Ich meine, hallo! Es sind Dinosaurier!«
    Bastille und Sing sahen sich vielsagend an.
    »Was denn? Ihr glaubt nicht, dass es funktioniert?«
    »Du weißt nicht besonders viel über Dinosaurier, Alcatraz«, meinte Bastille nur, während die Saurier über die Treppe ins Erdgeschoss verschwanden.
    Wir warteten. Wir versteckten uns in dem Raum mit den Büchern über die Vergessene Sprache und warteten einige scheinbar endlos lange Minuten. Wir hörten keine panischen Schreie. Keine Hilferufe. Keine Geräusche, aus denen man hätte schließen können, dass irgendwo im Gebäude eine marodierende Horde blutrünstiger Reptilien dabei war, hilflose Menschen zu zerfleischen.
    »Verdammt noch mal!«, schimpfte ich und rannte auf den Gang hinaus, hinüber zu dem Loch im Boden. Dort ließ ich mich auf Hände und Füße nieder und spähte durch das Loch, in der Hoffnung, einen Blick auf das Chaos unter uns zu erhaschen.
    Doch stattdessen entdeckte ich die Dinosaurier, die es sich, umgeben von Bücherstapeln, bequem gemacht hatten. Einer von