Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)
Erleichterung aus, als beide Droschken wieder anfuhren.
Die Tarnlinsen waren schwieriger zu benutzen als alle anderen, die ich bisher eingesetzt hatte. Ein Ruck ging durch mich hindurch, wenn sich meine Gestalt veränderte, und das geschah jedes Mal, wenn ich meine Gedanken abschweifen ließ. Ich musste konzentriert bleiben, um die Illusion aufrechtzuerhalten.
Als wir weiterfuhren, schämte ich mich, dass ich so lange gebraucht hatte, um mich an die Tarnlinsen zu erinnern. Bastille warf mir oft vor, dass ich immer wieder vergaß, dass ich ein Okulator war. Und sie hatte recht. Ich hatte mich immer noch nicht so richtig an meine besonderen Kräfte gewöhnt, wie ihr später noch sehen werdet. (Euch fällt sicher auf, dass ich oft Dinge erwähne, die ich erst später im Buch erklären werde. Manchmal versuche ich mit solchen Andeutungen Spannung zu erzeugen. Manchmal will ich euch auch einfach nur ärgern. Ihr könnt selbst entscheiden, wann was der Fall ist.)
»Erkennt jemand von euch, wo wir sind?«, fragte ich, während wir unsere »Verfolgungsjagd« fortsetzten.
»Ich glaube, wir nähern uns dem Königspalast«, sagte Folsom. »Da schaut, man sieht die Turmspitzen.«
Ich folgte seinem Zeigefinger mit den Augen und erkannte die weißen Zinnen des Palastes. Auf der anderen Straßenseite sah ich im Vorbeifahren ein riesiges rechteckiges Gebäude, auf dessen Vorderseite in großen Lettern KÖNIGLICHES ARCHIV (KEINE BIBLIOTHEK!) stand. Wir bogen ab, kamen auf eine Parallelstraße und rollten an weiteren Burgen vorbei in die Richtung zurück, aus der wir gekommen waren. Dann bog die Droschke meiner Mutter wieder ab, als wollte sie den Block erneut umrunden. Irgendetwas schien nicht zu stimmen.
»Kutscher, holen Sie die Droschke da vorne ein«, rief ich.
»Mal hü, mal hott«, sagte der Kutscher mit einem Seufzer. An der nächsten Kreuzung fuhren wir neben die Droschke und ich blickte zu meiner Mutter hinüber.
Nur dass sie nicht da war. Die Frau, die in der Droschke saß, sah meiner Mutter zwar ein bisschen ähnlich, aber sie war es nicht. »Zum Splitter noch mal!«, fluchte ich.
»Was ist?«, fragte Folsom und spähte über den Rand der Kutsche.
»Sie hat uns abgehängt«, sagte ich.
»Bist du dir sicher, dass sie das nicht ist?«, fragte Folsom.
»Ja, das kannst du mir glauben.« Ich hatte früher zwar nicht gewusst, dass »Ms. Fletcher« meine Mutter war, aber sie hatte mich fast meine ganze Kindheit lang überwacht.
»Vielleicht benutzt sie Linsen, so wie du«, mutmaßte Himalaya.
»Nein, sie ist keine Okulatorin«, erwiderte ich. »Ich weiß nicht, ob sie gemerkt hat, dass sie verfolgt wurde, aber irgendwie ist sie aus dieser Droschke herausgekommen, ohne dass wir es gesehen haben.«
Himalaya und Folsom erhoben sich vom Boden und setzten sich wieder. Ich beobachtete Himalaya. Hatte sie meiner Mutter irgendwie zu verstehen gegeben, dass wir hinter ihr her waren?
»Shasta Smedry«, sagte Himalaya. »Ist sie denn mit euch verwandt?«
Folsom nickte. »Sie ist Alcatraz’ Mutter.«
»Wirklich?«, fragte Himalaya. »Deine Mutter ist eine kurierte Bibliothekarin?«
»Also ›kuriert‹ ist sie eigentlich nicht«, sagte ich. Die Droschke mit der Doppelgängerin hielt vor einem Restaurant und die Frau stieg aus. Ich befahl unserem Kutscher, zu warten, damit wir sie weiter beobachten konnten, aber ich wusste, dass wir nichts Neues erfahren würden.
»Seine Eltern haben sich kurz nach seiner Geburt getrennt«, sagte Folsom. »Shasta ist zu den Bibliothekaren zurückgegangen.«
»Zu welcher Sekte gehört sie?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Sie… passt nicht so recht zu den anderen. Sie ist irgendwie anders.« Mein Großvater hatte einmal gesagt, Shastas Absichten seien schwer zu durchschauen, selbst für die anderen Bibliothekare.
Sie hatte die Linsen von Rashid. Wenn sie einen Okulator fand, der ihr half, konnte sie die Vergessene Sprache lesen. Das machte sie sehr gefährlich. Warum war sie auf der Party gewesen? Hatte sie mit meinem Vater gesprochen? Hatte sie versucht, dem Prinzen etwas anzutun?
»Lasst uns zur Burg zurückkehren«, sagte ich. Vielleicht wusste Grandpa Smedry Rat.
Kapitel 9
Kapitel sind sehr hilfreich. Sie erlauben es dem Autor, Geschichten zu unterbrechen und viele langweilige Teile auszulassen. Zum Beispiel hatten Folsom, Himalaya und ich, nachdem wir meine Mutter verfolgt und aus den Augen verloren hatten, eine angenehme Rückfahrt zur Burg Smedry. Das
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