Alchemie der Unsterblichkeit
eigene Schwester.«
Icherios fürchtete um den Überbringer der Todesnachricht. Ein vor Wut rasender Vampir, vor allem ein so mächtiger wie Sohon, musste eine Gefahr für seine Umgebung sein.
Der Leichnam befand sich im Garten des Opfers. Dieses Mal lag er auf dem Boden, umschwärmt von einer Schar Katzen, die traurig miauend um den Körper strichen. Der Kopf lag abgetrennt daneben. Es waren keine Abwehrverletzungen zu erkennen. Dennoch war Chaela schlimmer zugerichtet als die anderen. Der junge Inspektor schritt langsam um die Leiche herum. In dem Garten stand zwar ein Baum, trotzdem war sie nicht an ihm aufgehängt worden. Vermutlich war dem Mörder das Risiko zu groß gewesen, dabei erwischt zu werden. Das Haus des Opfers lag in einer belebten Gegend. Das bedeutete aber auch, dass es für ihren Tod einen persönlichen Grund geben musste. Sonst hätte der Täter einen Vampir wählen können, der unauffälliger zu töten gewesen wäre.
Icherios kniete neben der Leiche nieder. Beim Anblick der Handgelenke zuckte er vor der unglaublichen Brutalität zurück. Tiefe Einschnitte hatten nicht nur die Adern geöffnet, sondern die Hände beinahe vom Leib getrennt. Selbst wenn der Mörder sie noch hätte aufhängen wollen, wäre es nicht möglich gewesen. Das verbliebene Fleisch hätte das Gewicht nicht halten können. Zusätzlich waren ihr, wie bei den anderen Opfern, die Oberschenkelarterien aufgeschlitzt worden. Das alchemistische Zeichen für Mercurius, Quecksilber, prangte an ihrem Hals. Nachdem sie verblutet war, hatte der Täter mehrfach sein Messer in ihren entblößten Leib gerammt. Es war kaum Blut an den Wundrändern zu erkennen. Icherios nahm einen Ast und führte ihn in die Wunde. »Er hat ein schmales Messer mit einer langen Klinge verwendet.«
Ein kleiner Fleck am Hals fiel Icherios auf. Er war frei von Blut, als wenn vorher ein Amulett an der Stelle gelegen hatte. Er zückte sein Notizbuch und fertigte eine grobe Zeichnung an.
»Wir müssen die Leiche heimlich wegbringen«, schlug Rabensang vor. »Es ist besser wir halten Chaelas Tod geheim, um Unruhen zu verhindern.« Rabensang sank neben Icherios auf die Knie und schloss die Augen der Ermordeten. »Ich weiß, Sie brauchen nicht noch mehr Druck, aber Sie sollten sich beeilen.«
Stampfende Schritte kündigten den Pfarrer an. Ein verächtlicher Blick war die einzige Begrüßung, die Icherios erhielt, während sich der Bürgermeister und Bernsten überschwänglich in die Arme fielen. Rabensang fing die Blicke auf, runzelte verwirrt die Stirn und stellte sich schützend vor den Inspektor. Nun kamen die beiden Männer auf Icherios zu. »Gehen Sie Packen. Wir werden mit dem Fürsten über Ihre Entlassung sprechen. Offensichtlich sind Sie nicht in der Lage, den Mörder zu fassen.« Die Augen des Bürgermeisters glänzten vor Genugtuung. Der junge Gelehrte fragte sich, ob er wusste, dass er damit Icherios’ Todesurteil unterschrieb.
»Vermutlich ist es der Blutdämon«, fügte der Pfarrer hinzu, »wie ich von Anfang an sagte.«
Die Frustration und die Angst der letzten Tage kochten in Icherios hoch. »Sobald ich das Gespinst aus Lügen durchdrungen habe, das diesen Ort umgibt, werde ich den Mörder stellen. Doch Sie machen es unmöglich. Wenn Sie nicht die Leichen beiseitegeschafft hätten, ohne den Mut zu haben, es zu gestehen, wäre ich jetzt schon viel weiter, und Flurhüter Kolchin wäre nicht verletzt worden.«
Rabensang legte eine seiner Pranken auf Icherios‘ Schulter. »Der Pfaffe und der Bürgermeister haben die Ghoule erschaffen?«
»Nein, aber sie sorgten dafür, dass leere Särge beerdigt wurden. Sie sind nämlich der Ansicht, dass unheilige Wesen wie Sie nicht auf dem Friedhof liegen sollten.« In Icherios’ Zorn war es ihm gleichgültig, was für Konsequenzen seine Worte mit sich bringen würden.
Aus Rabensangs Kehle drang ein dunkles Knurren. Sein Körper spannte sich.
»Komm doch, und zerfleisch mich,« höhnte der Pfarrer. »Zeig allen, was für ein Tier du in Wirklichkeit bist.«
Arken zog Bernsten erschrocken zurück. »Sei still!«
»Ich werde nicht schweigen! Schau dir diese Bestie an. Wie kann man Zweifel daran hegen, wer der Mörder von Dornfelde ist?«
Rabensangs Hand lag noch immer auf Icherios’ Schulter und quetschte sie langsam zusammen. Der Werwolf zitterte am ganzen Körper. Dann machte er seiner Wut in einem Aufschrei Luft, spuckte vor dem Pfarrer auf den Boden und setzte sich mit dem Rücken zu ihnen neben die
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