Alchemie der Unsterblichkeit
entvölkert das Dorf.«
»Beruhigen Sie sich.«
»Ich werde mich nicht beruhigen! Der Bürgermeister und der Pfarrer fordern Ihre Entlassung.«
»Ich weiß, sie haben mit mir gesprochen, aber solange der Fürst mich nicht wegschickt, werde ich bleiben.«
»Tun Sie doch endlich etwas. Hören Sie auf mit diesen Tinkturen, den Versuchen und dieser Herumschneiderei! Was soll das bringen? Der Mörder läuft immer noch frei herum.«
Icherios brachte dieser Ausbruch zum Schweigen. Er war fassungslos.
Tränen traten in Kolchins Augen, und er sackte schluchzend zusammen. »Eva ist schwanger. Ich habe solche Angst um sie und das Baby.«
In Icherios kam sofort die Frage auf, wer der Vater war. Der Pfarrer oder der Flurhüter? Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um seine Befürchtungen mitzuteilen. Hilflos blickte er zu dem weinenden Mann hinüber. Er war noch nie gut darin gewesen, mit Gefühlsausbrüchen anderer Menschen umzugehen. Er setzte sich neben Kolchin und legte einen Arm um dessen Schulter.
»Ich würde es nicht ertragen, sie auch noch zu verlieren. Alle Menschen, die ich liebe, sterben.«
Icherios fühlte mit ihm. Einsamkeit und Verlust waren ihm nur zu bekannt.
»Meine Mutter ist schon lange tot, ich kann mich kaum an sie erinnern. Als mein Vater starb, war ich vierzehn Jahre alt. Er wurde im Wald überfallen. In seiner Brust steckte ein Messer, wie es die Vagabunden benutzen. Man hat den Mörder nie gefasst. Seitdem war ich allein.« Langsam schien er sich wieder zu beruhigen. »Man gab mir Hilfsarbeiten im Dorf, während ich in der Hütte meiner Eltern lebte. Irgendwann wurde ich Amtsmann und dann lernte ich Eva kennen. Sie ist alles, was ich habe. Noch heute reden die Leute über meinen Vater. Angeblich hatte er eine Geliebte.«
»Wissen Sie wer?«
»Ich habe sie nie gesehen. Man munkelt, dass ihr Ehemann ihn umbrachte, aber das habe ich nie geglaubt.«
»Nun haben sie mehr spektakuläre Morde, als ihnen lieb ist. Bleibt die Frage, was die Vampire und Werwölfe betäubt und das Blut schwarz färbt. Welche Auswirkung haben tödliche Gifte auf Vampire?«
»Das weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall tötet es sie nicht, da sie schon tot sind. »Zumindest behauptet man das, aber ihr Herz schlägt, wenn auch langsam.«
»Ich hörte, dass einige Substanzen einschläfernd auf sie wirken können.«
Icherios runzelte die Stirn. »Dann könnte es sein, dass ein für Menschen tödliches Gift sie betäubt. Es muss schnell gehen und unauffällig sein. Vielleicht Schierling oder Arsen? Ich brauche frisches Vampirblut. Ich muss es testen!«
Plötzlich stockte Icherios der Atem. Sein Inneres gefror. Arsen! Ohne ein Wort sprang er auf und stürmte hinaus in die Dämmerung. Kolchin versuchte, ihm hinterherzueilen, doch er war zu geschwächt, um mitzuhalten. Icherios ignorierte die Schmerzen im Knie und rannte den Hang hinunter.
Voller Angst hastete er nach Dornfelde zurück. Sein Herz pochte in rasendem Stakkato. Die leuchtenden Strahlen der untergehenden Sonne verhöhnten die düsteren Gefühle, die ihn umtrieben. Vor dem Haus des Bürgermeisters zögerte er. Er hatte Angst hineinzugehen und eventuell seine Befürchtungen bestätigt zu sehen, doch Gewissheit würde er erst haben, wenn er ihre Augen gesehen hatte. Er nahm all seinen Mut zusammen, öffnete die Tür und stürmte an Maria vorbei die Treppe hinauf.
Lorettas Schwester sah aus wie eine lebende Leiche, abgemagert und kaum noch atmend. Loretta schlief zusammengerollt in einem Korbsessel an ihrem Bett. Als Icherios hineinstürmte, fuhr sie erschrocken auf.
»Ihre Augen! Sind ihre Augen rot?« Icherios Stimme überschlug sich. Wie ein Verrückter stürzte er zu ihr hinüber. Maribelle war in einem Fiebertraum gefangen und stöhnte auf, als er ihre Augen öffnete. Icherios Magen verkrampfte sich, als er seine Befürchtungen bestätigt sah. Ihre tieferen Hautschichten leuchteten in dunklem Rot, während ihre Haut feucht und kalt wie die eines toten Fisches war. »Wer bringt ihr das Essen oder kann unbemerkt zu ihr gehen? Wo werden ihre Medikamente aufbewahrt?«
Loretta schreckte vor seinem Redeschwall zurück und starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Icherios war sich nicht sicher, ob sie damit nicht recht hatte.
»Das Essen wird in der Küche zubereitet. Für gewöhnlich bringe ich es ihr. Ihr Stärkungsmittel befindet sich im Nachtschränkchen. Vor ihrem Umzug befand es sich im Keller.«
Icherios sackte zu Boden. Schuldgefühle
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