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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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er besorgt.
    Sie flehte ihn mit den Augen an. »Hast du immer noch nicht genug von der Welt?«
    Die Frage hatte ihn überrascht. Er hatte alles Mögliche erwartet, aber nicht das. Die Abschiede, die Schiffe, das Meer, das war sein Leben. Ihr Leben, seins und ihres. Ein stilles Einverständnis seit der ersten Nacht, in der sie miteinander geschlafen hatten.
    »Das ist mein Leben, das weißt du doch.«
    »Und wo stehe ich in deinem Leben?« Sie hatte sich aufgerichtet. Sie weinte nicht mehr, aber ihre Augen glänzten. Er hatte Céphée nur ein einziges Mal weinen sehen. Als er um ihre Hand angehalten hatte.
    »Céphée.«
    »Wo ist dein Leben? In Port-Adelaide? In Colombo? In Antwerpen? In Valparaiso? Wo denn, he? Und wo bin ich? Abdul, wo bleibe ich bei alledem?«
    »Hier. Zu Hause.«
    »Hier …«
    Die Antwort schien sie zu überraschen. »Hier«, wiederholte sie für sich selbst. »Klar … Hier.«
    Er wusste nicht, was er sagen sollte. Niemals hätte er sich vorstellen können, dass Céphée ihre Existenz infrage stellte. Für ihn war alles ganz einfach. Er ging, er kam wieder. Er verließ sie, er kehrte zu ihr zurück. Und sie liebten sich.
    Sie liebten sich doch? Das war das Entscheidende. Er wollte es ihr sagen, aber er schwieg. Diese Diskussion hatte keinen Sinn.
    »Hast du mir nichts zu sagen?«
    »Was soll ich denn sagen, Céphée? Ich verstehe das nicht. Was ist los?«
    »Ich bin es leid zu warten, das ist los. Auf dich zu warten. Ich und die Kinder, wir sind es leid. Das ist los, Abdul.« Ihre Stimme war leise, ohne Wut. Fast ein Murmeln. Eine matte Stimme.
    »Darüber hast du nie mit mir gesprochen«, antwortete er sanft. »In deinen Briefen …«
    »Die Briefe, die Briefe …« Sie explodierte. »Verdammt, Abdul!«
    Céphée sprang aus dem Bett und marschierte entschlossen durch das Zimmer. In der Wand war ein Schrank. Sie öffnete ihn. Unten drin lagen stapelweise Umschläge. Hunderte von Umschlägen. Seine Briefe.
    »Da sind deine Briefe, siehst du. Jahr für Jahr. Was soll ich deiner Meinung nach damit anfangen? Mit ihnen zusammen essen? Mit ihnen spazieren gehen? Mit ihnen ins Bett gehen? Mit ihnen schlafen? Na, kannst du mir das sagen?«
    Schweigen trat ein.
    »Willst du, dass mein Leben mit dir so aussieht?«
    »Nein«, murmelte er.
    Er war ratlos. Verloren. Aber er verstand immer noch nicht, warum das, was vor seiner Fahrt nach Adelaide wahr gewesen war, es jetzt nicht mehr war. Er stand auf und ging zu ihr. Er wollte sie in die Arme nehmen, sie trösten, ihr noch mal erklären, wie er es immer getan hatte, welche Bedeutung das Meer für ihn hatte.
    »Nein«, wiederholte er.
    »Ich auch nicht, Abdul. Denn eins will ich dir sagen, wenn du unsere Zukunft so siehst, dann ohne mich. Und mit deinen Briefen wisch ich mir den Arsch ab!«
    Er gab ihr eine Ohrfeige.
    Jetzt hatte er sie geschlagen, statt sie in die Arme zu nehmen, wie er es eigentlich wollte. Der Boden gab unter seinen Füßen nach. Er spürte, wie er schwankte. Versank. In dem Augenblick, als seine Hand Céphées Wange traf, hatte er die Augen geschlossen. Wie um die Kraft zu bremsen. Und er sagte sich, dass sich jeder Fehler wieder gutmachen ließ. Sein Vater behauptete das. Er hoffte, dass es stimmte.
    Céphée rührte sich nicht. Sie blieb vor ihm stehen, aufrecht und stolz. Nackt. Ihm ging auf, wie schön sie war. Keine andere Frau konnte je ihren Platz in seinem Herzen einnehmen. Aber er fand kein Wort der Entschuldigung für seinen Fehler. Sie war es, die das Schweigen brach. In ihren Augen waren keine Tränen mehr. Nur Entschlossenheit. »Ich liebe dich«, sagte sie leise.
    »Ich liebe dich auch.«
    »Dann denk gut darüber nach, Abdul. Ich spreche dich nicht mehr darauf an.«
    Sie ging wieder ins Bett. Als er das Schlafzimmer verließ, um sich einen Zigarillo zu holen, machte sie das Licht aus. In diesem Moment hatte er sie verloren.
    »In dem Moment hatte ich sie verloren«, gab er schließlich zu und trank seinen Kaffee aus. Es gibt Dinge, die nicht wieder gutzumachen sind, aber wir wissen nicht, welche. Er konzentrierte seinen Blick auf die Segelboote, die auf der anderen Seite der Straße im Hafen festgemacht hatten. Das beruhigte ihn. Er bestellte einen zweiten Kaffee.
     
    Abdul Aziz war früh aufgestanden und hatte die Aldebaran verlassen, ohne sich Zeit für ein Frühstück oder auch nur einen schnellen Nescafé zu nehmen. Er hatte absolut keine Lust, Diamantis zu begegnen. Keine Lust zu reden. Er war angespannt und nervös.

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