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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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genug Zeit.«
     
    Diamantis drehte sich zu Abdul Aziz um. Sie gingen Seite an Seite am Kai entlang. Die noch heiße Sonne hob die trockenen Kämme der Hügelkette von L’Estaque hervor.
    »Morgen früh muss ich in die Stadt.«
    Abdul sah ihn an und zuckte mit den Schultern. Ein Stück weiter fragte er:
    »Hast du eine Frau an Land?«
    »Was ich an Land mache, ist, wie du selbst sagst, meine Sache.«
    »Klar.«
    »Und du, hast du Ärger, Abdul?«
    »Sorgen. Das weißt du doch.«
    »Nein, ich hab keine Ahnung.«
    »Ich habe keine Nachrichten von Céphée. Das ist es. Jedem seine Geschichten.«
    »Na gut. Wie du willst.«
    In der Messe fanden sie Nedim mit einem Becher Nescafé sitzen, eine Zigarette im Mundwinkel. Er war nur in Unterhose. Ungekämmt, unrasiert. Völlig erledigt. Als sie herein kamen, sah er auf.
    »Verdammt! Du bist ja auch noch da«, sagte er zu Diamantis.
    Wie kam es, dass er noch da war? fragte Nedim sich. Er hatte gedacht, dass Diamantis wie die anderen abgehauen war. Vielleicht sind sie schwul, amüsierte er sich im Stillen, obgleich er wusste, dass die Vermutung blödsinnig war.
    »Na, das freut mich aber.« Nedim meinte es ernst. Er mochte Diamantis. Und es war gut, dass er da war. Es würde einfacher sein als mit Abdul Aziz. Diamantis würde seine Probleme verstehen. Er würde ihm helfen.
    »Seid nur ihr beide da? Oder sind die anderen auch alle wiedergekommen?«, scherzte er.
    »Nein, mit dir sind wir drei«, antwortete Diamantis.
    Abdul Aziz hatte sich hingesetzt und Nedim grimmig angestarrt. Er war nicht gerade begeistert, ihn hier vorzufinden. »Was ist passiert?«
    »Der Fernfahrer, dieser Idiot, hat nicht auf mich gewartet. Ach ja, Kapitän, Sie werden wegen dem Passierschein mitkommen müssen. Dieser Trottel von Wachmann wollte mich nicht durchlassen. Um ein Haar hätte er die Polizei gerufen.«
    »Und du gedenkst, an Bord zu bleiben.«
    »Nun ja. Aber nicht lange. Ich muss einen anderen Weg finden. Nur ein paar Tage.«
    »Ich weiß nicht, Nedim. Offiziell hast du das Schiff verlassen.«
    »Vier oder fünf Tage«, mischte Diamantis sich ein. »Wir kommen schon klar, oder?«
    »Genau, nur vier oder fünf Tage, nicht mal. Nur genug Zeit, bis ich alles organisiert habe.«
    »Es ist gegen die Vorschrift.« Er stand auf. »Wir reden nachher noch mal darüber.« Er ging hinaus.
    Diamantis stellte die Flasche auf den Tisch und zog sein Hemd aus.
    »Verdammt, hat er seine Tage, oder was?«, fragte Nedim.
    »Sorgen. Wie wir alle.«
    »Na dann … Hör mal, ich muss dir was erklären.«
    »Was?«, fragte Diamantis und setzte sich.
    Nedim wickelte die Flasche aus. »Teufel auch! Whisky! Das wird ein Fest!«
    Diamantis nahm ihm die Flasche aus der Hand. »Privateigentum.«
    »Nur ein Glas. Damit ich wieder auf die Beine komme.«
    »Nach dem Essen.«
    »Scheiße! Das ist ja die Hölle hier!«, murmelte er niedergeschmettert.
    »Wusstest du das nicht?«, lachte Diamantis.
    »Ja, nun, ich kann darüber nicht lachen. Jetzt um diese Zeit hätte ich schon meine Braut küssen können, verstehst du?«
    »In zwei oder drei Tagen, hast du gesagt? Bis dahin wirst du nicht sterben.«
    »Das ist leicht gesagt. Ich habe keinen Pfennig mehr. Nichts! Pleite!«
    »Ist es das, was du mir sagen wolltest?«
    »Ja.«
    »Nun, ich höre.«
    »Heben wir einen Kleinen?«
    »Heute Abend.«
    »Ach Scheiße!«
     
    Mit geschlossenen Augen in seiner Koje ausgestreckt, entwarf Abdul im Geist mehrere Briefe an Céphée. Er versuchte, dieses Glücksgefühl wieder einzufangen, das er am Nachmittag empfunden hatte. Als das Licht vom Himmel fiel. Wie in Byblos. Céphée war da, nicht weit. Aber jedes Mal, wenn er den rech ten Satz gefunden hatte, kam ihm die Citerna 38 in den Sinn. Klar zum Auslaufen. Und Céphée glitt in den Hintergrund. Ihm war, als sähe er sie am Kai. In dem blauen Kleid, das er ihr bei seiner Rückkehr aus Adelaide geschenkt hatte. Sie winkte. »Es ist keine Schande, glücklich zu sein«, sagte er, während er wieder aufstand. Aber ohne zu wissen, ob er sich selbst oder Céphée meinte. Oder die Menschheit im Allgemeinen.

11 Es ist nicht einfach, das Wahrscheinliche mit dem Unwahrscheinlichen in Einklang zu bringen
    Diamantis klopfte an die Tür von Abduls Kabine. »Abdul! Kommst du essen?«
    »Komm rein!«, rief er.
    Es war das erste Mal, dass Abdul Diamantis in seine Kabine bat. Abdul veränderte sich. Diamantis konnte es sich nicht verkneifen, einen verstohlenen Blick auf die Inneneinrichtung zu werfen.

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