Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
Vom Netzwerk:
ausgeladen. Aber seitdem hatte der Reeder die Legacy wie aus Vergeltung im Hafen »vergessen«. Ein Jahr ohne Strom und heißes Wasser, eingeigelt in ungeheizten Kabinen und wie die Aldebaran von wohltätigen Vereinen mit Lebensmitteln versorgt.
    »Die Gewerkschaft ist für die Rückführung der Mannschaft aufgekommen«, präzisierte Abdul.
    »Verdammt«, beschwerte sich Nedim. »Sie hätten für uns auch die Rückführung raushandeln können. Dann hätten wir uns nicht abstrampeln müssen, um zu sehen, wie wir nach Hause kommen.«
    »Aber du hast Geld bekommen. Sie nicht. Ich dachte, Geld sei besser.«
    »Ja«, gab Nedim traurig zu. »Sicher.« Er hing seinen Gedanken nach.
    Ja, es war besser gewesen, Geld zu haben. Und mit einer einfachen Zugfahrkarte wäre er jetzt schon zu Hause. Er hätte irgendeine Geschichte erfunden, wie, dass man ihm das Geld nachsenden würde. Ein oder zwei alte Kumpel hätten ihm in der Zwischenzeit aus der Patsche geholfen.
    So hätte er es machen können, verdammt! Er wusste, wie man in Istanbul schnell zu ein wenig Geld kommt. Mit den Touristen. Den Italienern und Franzosen in erster Linie. Die Franzosen reisen an und haben die Nase in ihren Hotelführer für günstige Übernachtungen vergraben. Und sie verlaufen sich in den Straßen. Dann braucht man nur da zu sein. Um ihnen zu helfen, sie zu beraten.
    Auf diese Weise hatte er an seinen Ausgangsabenden bei der Armee nicht schlecht verdient. Er vermittelte andere Hotels als die im Führer, andere Restaurants. Es war nicht schlechter als woanders. Die Touristen zahlten nicht drauf. Und außerdem – das war sein Argument – begegneten sie keinen anderen Touristen.
    Das wahre Istanbul. Bis hin zum Café Jenikapi direkt am Meer, das in keinem Reiseführer stand.
    Er kassierte dafür eine kleine Gebühr. Darüber hinaus trank er oft auf Kosten des Hauses. Trank und aß. Für ihn war es wesentlich billiger als für die Touristen. Crevetten, Leber auf albanische Art, gefüllte Muscheln, eingelegte Bohnen, Frischkäse … Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, die Tussis aufzureißen. Die Französinnen vor allem. Sie kamen zu zweit oder dritt. Mit einem Rucksack auf dem Rücken. Ohne Typen.
    Sein schönster Volltreffer war mit zwei Elsässerinnen gewesen. Zwei Blondschöpfe, höchst niedlich. Sie wollten unbedingt nach Kizil Adalar, auf die Roten Inseln. Zwanzig Kilometer von Istanbul entfernt. Sie sagten »Prinzeninseln«, wie es in ihrem Reiseführer stand, und suchten verzweifelt nach dem Anlegeplatz der Fähre. Er hatte einen besseren Vorschlag. Ein kleines Boot für sie ganz allein. Das war was anderes als mit tausendfünfhundert Leuten!
    Der Bootseigentümer Erol Aynaci hatte eine Rundfahrt über alle Inseln mit ihnen gemacht: Büyük Ada, Heybeli, Kinali, Burgaz. Auf Burgaz führte er sie zum Schwimmen in die kleine Bucht von Kalpazankaya. Sie hatten in ihrem ganzen Leben noch nicht so viel Spaß gehabt. Nedim hatte ihnen ordentlich was zu staunen gegeben! Er hatte noch einen draufgesetzt und ihnen ein Zimmer im Hotel Imperial organisiert, wo, wie er ihnen erklärte, Théophile Gautier abgestiegen war. Ihm war Théophile Gautier piepegal. Er wusste nicht einmal, was das für ein Typ war. Aber die beiden Mädchen, zum Kuckuck, die waren voll drauf abgefahren. Er hatte sie auf die Spuren des gewohnten Spaziergangs von dem fraglichen Schriftsteller geführt. Dann hatte er ihnen von Trotzkis Exil 1932 erzählt, als er nur seine Bücher zum Gefährten hatte. Und, kaum zu glauben, darauf waren diese Mädchen noch mehr abgefahren!
    Er hatte sie beide gefickt. Abends hatte er ihnen vorgeschlagen, auf Kinali einen Tandir Kebab essen zu gehen, danach hatten sie die ganze Nacht getanzt und getrunken. Es hatte ihm sehr gefallen, als er zwischen den beiden in der Falle gelandet war.
    »Wo liegt dein Problem, Nedim?«, fragte Abdul.
    »Mein Problem …« Das Bild der beiden Blondschöpfe verblasste. Er sah Lalla wieder vor sich, dann Gaby. »Mein Problem ist, dass ich mir mein ganzes Geld hab abnehmen lassen. Wie ein Idiot.«
    Er warf einen schnellen Blick auf Diamantis. Er hatte ihm die Wahrheit erzählt. Das heißt, nicht alles. Er hatte noch nichts von seinem Seesack gesagt, der im Habana liegen geblieben war. Und von dem Geld, das er berappen musste, um ihn auszulösen.
    »Ich hatte dich für schlauer gehalten, Nedim. Sich sein Geld klauen lassen! Bist du ein Volltrottel, oder was?«
    »Ja«, gab er kleinlaut zu. »Ich bin nur ein

Weitere Kostenlose Bücher