Aldebaran
Bauer.«
»Und ausgerechnet du willst mich verarschen!«
Diamantis lächelte.
»Ich bin mit Ousbène in die Kneipe gegangen«, gab Nedim zu. »Um die Zeit totzuschlagen. Und wir haben was getrunken. So war das.«
»Ist Ousbène fort?«
»Ich denke schon. Er hatte einen Zug. Züge haben ihre Abfahrtszeit. Ich bin allein geblieben.«
»Und hast alles auf den Kopf gehauen.«
»Nein, verdammt!« Aufgeregt erhob er sich und schob seinen Teller zurück. Er hatte seine Makrelen nicht gegessen. »Pfui! Die Dinger sind ekelhaft.«
»Was anderes haben wir nicht zu essen«, erwiderte Diamantis. »Wirst dich dran gewöhnen müssen. Komm schon, reg dich nicht auf. Setz dich.«
Nedim setzte sich wieder hin. »Hast du ne Kippe?«, fragte er Diamantis. »Ich hab keine mehr.« Er zündete sich die Zigarette an, dann sah er zu Abdul.
»Ich hab nicht auf die Zeit geachtet. Ich hab noch ein paar getrunken und … Scheiße, ich hab mich übers Ohr hauen lassen. Von zwei Mädchen. Jetzt wisst ihr es. Seid ihr nun zufrieden? Na?«
»Du brauchst mir keine Märchen zu erzählen, Nedim. He! Ich bin nicht dein Vater. Oder deine Mutter. Auch nicht deine Braut. Hast du kapiert? Wir sind hier unter Männern. Wir machen uns nichts vor.«
Diamantis räusperte sich. Abdul sah ihn an. Nedim beobachtete sie. Irgendwas ist zwischen den beiden, dachte er, hielt aber lieber die Klappe.
»Gut«, lenkte Nedim ab, »und was ist jetzt mit dem Whisky? Trinken wir ihn oder nicht?«
Diamantis ging die Flasche holen. Sie tranken schweigend.
»Was können wir tun?«, fragte Nedim.
»Wie können wir was tun?«, gab Abdul zurück.
»Na, für mich. Verflucht! Ich hab nicht vor, hier Schimmel anzusetzen. Nicht, dass ich was gegen euch habe, aber … ihr … Je länger ich euch zuhöre und … Ich sage mir, ihr seid wie die Typen von der Legacy. Der Kapitän und sein Erster Offizier. Ihr seid Dickköpfe. Kennt ihr euch schon lange?«
»Lang genug«, antwortete Diamantis.
»Wir können nichts für dich tun, Nedim«, fügte Abdul an. »Du hattest Geld für die Fahrt. Punkt. Mehr kriegst du nicht. Selbst wenn wir die Aldebaran morgen verkaufen würden. Du hast auf all deine Ansprüche verzichtet.«
»Beschiss!«
»Das hat gestern noch anders geklungen.«
»Gestern …«
»Das Beste wird sein«, fügte Diamantis hinzu, »du findest einen Weg, heimzukehren. Wenn du etwas Geld brauchst, treiben wir was für dich auf.«
Er schaute Abdul fragend an. »Ja, wir biegen das schon hin«, stimmte der lustlos zu. Er trank aus und stand auf. »Aber lass dir eins geraten sein, Nedim. Mach uns keinen Ärger. Ich warne dich. Gute Nacht. Ach, eins noch. Morgen bleibe ich an Bord. Sprecht euch wegen der Wache für die anderen Tage ab.«
»Wachdienst!«, rief Nedim aus, kaum dass Abdul den Raum verlassen hatte. »Was soll denn das? Wachdienst wofür?«
»Wachdienst eben, das ist alles. Du gehorchst und stellst keine Fragen.« Diamantis griff die Flasche und schenkte Nedim einen kräftigen Schluck ein.
»Für die Nacht. Ciao.« Und er verschwand mit der Flasche.
»Spinner!«, grummelte Nedim.
Als er ihn verlassen hatte, stieg Diamantis aufs Hauptdeck. Dort war nichts aufgeräumt worden. Überall lagen Strickleitern, Schläuche, Kabel, Sturmlampen, Takelage, Schweißbrenner, Arbeitshandschuhe und Farbtöpfe herum. Er war gern dort. Das war der Ort, wo es am meisten nach Schiff roch.
Es war schön. Er setzte sich. Er fragte sich, ob Mikis dieses Jahr wohl über die Ferien nach Psará kommen würde. Er musste ihn anrufen und fragen. Er wäre gern mit seinem Sohn fischen gegangen. Das war lange her. So fanden die beiden wieder zueinander, seit Melina und er sich getrennt hatten. In der Stille des Meeres. Die Fischerei machte sie zu Komplizen. Vater und Sohn. Die Worte, zunächst überflüssig, kamen schließlich ganz von selbst.
»Was suchst du so weit fort?«, hatte Mikis letzten Sommer gefragt.
Diamantis hatte die Schultern gezuckt. »Nichts. Jetzt nichts mehr. Ich hatte geglaubt, mein Glück auf den Reisen um die Welt zu finden … Aber … Verstehst du, wenn ich an meine Jahre auf See zurückdenke, weiß ich nicht mehr, was an den Geschichten wahr ist, die ich erzählen kann. All das ist Realität geworden, aber ist es das Glück, das ich gesucht habe? Keine Ahnung!«
Das Glück, so dachte er heute, existierte nicht ohne die Wunden und Leiden des Lebens. Erst dann wird einem klar, dass es nur ein Konzept ist. Davon hatte er Mikis allerdings nichts erzählt.
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